bull_99_04
Credit Suisse bulletin, 1999/04
Credit Suisse bulletin, 1999/04
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
mehr selbst die Qualität und den Absatz<br />
fördern und sich auf die Erfordernisse des<br />
Marktes ausrichten. Das Drei-Phasen-<br />
Modell, das die Einfuhr von Obst und<br />
Gemüse stark eingeschränkt hatte, musste<br />
der Bund aufgeben und durch ein<br />
GATT-kompatibles Zoll- und Kontingentsystem<br />
ablösen. An der Milchkontingentierung<br />
hält er dagegen fest. Der Staat<br />
greift nur noch mit der Ausrichtung von<br />
Beiträgen subsidiär ein.<br />
Obwohl die neue Agrarpolitik entscheidende<br />
Verbesserungen bringt, bleibt die<br />
Landwirtschaft eine stark regulierte Branche.<br />
Zudem hat der Gesetzgeber alle noch<br />
erlaubten Schutzmöglichkeiten im Rahmen<br />
des GATT-Abkommens von 1<strong>99</strong>4<br />
ausgeschöpft. Die AP 2002 entlastet zwar<br />
die Konsumenten in Form von sinkenden<br />
Preisen, die Belastung der Steuerzahler<br />
bleibt aber nach wie vor sehr hoch.<br />
Grüne Landwirte habens leichter<br />
Der Bund tritt neu als Nachfrager gemeinwirtschaftlicher<br />
Leistungen auf und<br />
sorgt dafür, dass die Landwirtschaft durch<br />
eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete<br />
Produktion einen wesentlichen<br />
Beitrag leistet, um die Versorgung der<br />
Bevölkerung zu sichern, die natürlichen<br />
Lebensgrundlagen zu erhalten, die Kulturlandschaft<br />
zu pflegen und das Land dezentral<br />
zu besiedeln.<br />
Ökologische Leistungen der Landwirtschaft<br />
geltet der Bund mit Ökobeiträgen<br />
ab. Dabei regelt er die Anforderungen,<br />
denen ökologische Produkte und Herstellungsverfahren<br />
zu genügen haben.<br />
«IM JAHR 2000 WIRD FAST<br />
EIN DRITTEL DER HÖFE<br />
VON 1<strong>99</strong>6 VERSCHWUNDEN SEIN.»<br />
Trotz grünem Zustupf: Die Aussichten<br />
sind keineswegs rosig. Der Preisdruck<br />
wird sich verschärfen und insbesondere<br />
die Milchproduzenten zu schmerzhaften<br />
Anpassungen zwingen. Bilden sich die<br />
Vorleistungspreise nicht im selben Ausmass<br />
zurück – wovon auszugehen ist –,<br />
wird sich die Profitabilität zusätzlich verschlechtern.<br />
Trotz steigender Direktzahlungen<br />
für Betriebe, die nach ökologischen<br />
Prinzipien wirtschaften, dürften die<br />
bäuerlichen Einkommen vorerst weiter<br />
sinken.<br />
Bewirtschaftung wird extensiver<br />
In der Folge werden einzelne Bauern aufgeben;<br />
man wird Betriebe zusammenlegen,<br />
sodass die landwirtschaftliche Nutzfläche<br />
je Betrieb ansteigt. Auch die Anzahl<br />
Beschäftigte pro Hektare wird abnehmen.<br />
Die Bauern werden den Boden im Sinne<br />
der Agrarreform tendenziell extensiver bewirtschaften,<br />
wodurch die mittlere Fläche<br />
und die Anzahl Beschäftigte pro Betrieb<br />
steigen wird. Vermehrt werden festangestellte<br />
Arbeitskräfte in Einsatz gelangen,<br />
während die Anzahl gelegentlicher Arbeitskräfte<br />
stärker zurückgehen wird. Eine<br />
grosse Zahl der auf Ackerbau spezialisierten<br />
Betriebe wird ihre Produktion auf<br />
Naturwiese verlagern. Viele davon werden<br />
in die Mastviehproduktion einsteigen.<br />
Insgesamt dürfte sich allerdings der Tierbestand<br />
kaum verändern.<br />
Eines steht schon heute fest: Die neue<br />
Agrarpolitik wird die Restrukturierung beschleunigen.<br />
Bis ins Jahr 2000 werden<br />
schätzungsweise fast 30 Prozent der<br />
1<strong>99</strong>6 gezählten Betriebe ihre Scheunentore<br />
für immer schliessen. Im Durchschnitt<br />
verschwänden in diesem Zeitabschnitt<br />
also rund 5300 Betriebe jährlich von der<br />
Bildfläche. Dadurch würde die Beschäftigung<br />
um rund 20 Prozent oder 40 000<br />
Arbeitsplätze schrumpfen.<br />
Weil der Staat aber noch über weitreichende<br />
Eingriffsmöglichkeiten verfügt<br />
(Exportsubventionen, Absatzstützungen,<br />
Flächenbeiträge, Investitionshilfen usw.),<br />
wird sich die internationale Wettbewerbsstärke<br />
der einheimischen Landwirtschaft<br />
nur langsam verbessern. Überdies finden<br />
im Ausland, namentlich in der EU, ähnliche<br />
Reformen der Agrarpolitik statt, sodass die<br />
Schweizer Landwirtschaft ihren Rückstand<br />
in der Wettbewerbsfähigkeit insgesamt<br />
nicht wesentlich wird verringern können.<br />
Bauern müssen Nischen finden<br />
Die Schweiz ist geradezu prädestiniert, auf<br />
die Karte Spezialitäten und Labelprodukte<br />
zu setzen. Deshalb wird die eingangs<br />
formulierte Vision nicht eintreten: Auch im<br />
Jahr 2027 wird es weiterhin Schweizer<br />
Bauern geben. Dafür sprechen vor allem<br />
folgende Faktoren:<br />
– die kleinräumige Struktur,<br />
– das Qualitätsdenken,<br />
– die steigenden Bedürfnisse nach<br />
ökologischen Produkten,<br />
«SPEZIALITÄTEN UND<br />
MARKENPRODUKTE<br />
BIETEN DIE BESTEN CHANCEN.»<br />
36 CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |<strong>99</strong>