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Einflussgrößen auf die Entwicklung empathischen Erlebens und ...

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12. Diskussion<br />

allerdings von einem rein kognitivistischen Standpunkt aus, verfolgt Karniol (1982), wenn sie<br />

sagt, dass dem Hilfeverhalten weniger ein Verständnis der Person als vielmehr ein<br />

Verständnis der Situation zugr<strong>und</strong>e liegt. Durch Erinnerungsprozesse <strong>und</strong> Wissensabgleich<br />

werden situationsspezifische Schemata (event-driven schema) aktiviert, <strong>die</strong> ihrerseits<br />

wiederum verfügbare Skripte aktivieren, <strong>die</strong> das Verhalten des Kindes regulieren.<br />

Von den drei besprochenen Ansätzen ist <strong>die</strong>ser letzte der vielversprechendste, da er<br />

einerseits in Einklang mit den sozialkognitiven Theorien gebracht werden kann <strong>und</strong><br />

andererseits eine Erklärung des Bef<strong>und</strong>es ermöglicht, dass das Selbsterkennen im Spiegel in<br />

der Stichprobe aus Delhi keine notwendige Voraussetzung konstruktiven Verhaltens im<br />

Teddy-Test ist. Geht man nun davon aus, dass es zwei Arten von Hilfeverhalten im Teddy-<br />

Test gibt, <strong>die</strong> <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> unterschiedlicher Mechanismen zustande kommen – empathisch<br />

motiviertes Hilfeverhalten <strong>und</strong> situationsgeb<strong>und</strong>enes Hilfeverhalten, das aus dem geteilten<br />

Erleben der Situation herrührt – stellt sich <strong>die</strong> Frage, wieso <strong>die</strong>se Mechanismen in den<br />

unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen<br />

kommen. Schließlich scheint es so zu sein, dass das Hilfeverhalten der Berliner Kinder primär<br />

empathisch motiviert ist, da hier ein recht starker Zusammenhang zwischen dem<br />

Selbsterkennen im Spiegel <strong>und</strong> dem Ausdruck an Mitgefühl bestand. Im Falle der Kinder aus<br />

Delhi hingegen scheint es so zu sein, dass beide Mechanismen greifen, da sich zumindest ein<br />

Teil der Kinder, <strong>die</strong> Hilfeverhalten zeigten, noch nicht im Spiegel erkannten.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage der Theorie der <strong>Entwicklung</strong>spfade von Keller (2007) könnte man<br />

spekulieren, dass es kontextspezifisch unterschiedliche Pfade sind, über <strong>die</strong> dasselbe<br />

<strong>Entwicklung</strong>sprodukt erreicht wird. Frühes Hilfeverhalten würde demnach kontextspezifisch<br />

<strong>auf</strong> unterschiedlichen Fähigkeiten <strong>auf</strong>bauen. Folgt <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> dem prototypisch<br />

independenten Pfad, ist frühes Hilfeverhalten empathisch motiviert. Das Verständnis<br />

psychischer Zustände Anderer wird über das kategoriale Selbst erschlossen. Das Kind wird<br />

sich seiner selbst <strong>und</strong> seines eigenen <strong>Erlebens</strong> bewusst. Das ermöglicht ihm, anderen<br />

Personen ein eigenes Erleben zuzuschreiben <strong>und</strong> ihnen im Folgenden zu helfen. Folgt <strong>die</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong> hingegen dem prototypisch interdependenten Pfad, speist sich <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

des kategorialen Selbst aus dem gemeinsamen Erleben psychischer Zustände. Es kommt also<br />

zuerst zu einem Verständnis psychischer Relationen, das im gemeinsamen Vollzug erlangt<br />

wird <strong>und</strong> das erst in einem zweiten Schritt kognitiv gefasst wird.<br />

Ein ähnlicher Gedanke von zwei unterschiedlichen Pfaden zum frühen prosozialen<br />

Verhalten wurde von Graves <strong>und</strong> Graves (1983) formuliert. Als Ergebnis ihrer Arbeiten <strong>auf</strong><br />

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