15.12.2012 Aufrufe

Einflussgrößen auf die Entwicklung empathischen Erlebens und ...

Einflussgrößen auf die Entwicklung empathischen Erlebens und ...

Einflussgrößen auf die Entwicklung empathischen Erlebens und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3. Der Beginn <strong>empathischen</strong> <strong>Erlebens</strong><br />

10<br />

3. Der Beginn <strong>empathischen</strong> <strong>Erlebens</strong><br />

Bis in <strong>die</strong> 1970er Jahre hinein wurde kleinen Kindern <strong>die</strong> Fähigkeit zum <strong>empathischen</strong><br />

Erleben <strong>und</strong> dadurch motiviertem Hilfeverhalten abgesprochen. Den wissenschaftlichen<br />

Diskurs dominierten psychoanalytische <strong>und</strong> kognitive Theorien, denen zufolge <strong>die</strong>ser<br />

<strong>Entwicklung</strong>sschritt erst zwischen dem vierten <strong>und</strong> sechsten Lebensjahr erreicht wird. Die<br />

psychoanalytischen Theorien argumentierten, dass erst durch den Eintritt in <strong>die</strong> ödipale Phase<br />

<strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> des Moralgefühls beim Kind beginne <strong>und</strong> rechneten empathisch motiviertes<br />

Hilfeverhalten <strong>die</strong>sem Phänomenbereich zu (Freud, 1930, 1969). Kognitive Theorien in der<br />

Tradition Piagets begründeten ihre Annahme damit, dass erst <strong>die</strong> egozentrische Phase<br />

überw<strong>und</strong>en werden müsse, bevor das Kind durch Einsetzen der Dezentrierung in <strong>die</strong> Lage<br />

versetzt werde, mit der anderen Person mitzufühlen <strong>und</strong> dadurch motiviert werde, der anderen<br />

Person zu helfen (siehe Feshbach, 1987; Flavell, 1975).<br />

In den 1970er Jahren entwickelten sich theoretische Ansätze, <strong>die</strong> den Beginn <strong>die</strong>ser<br />

<strong>Entwicklung</strong>en in das zweite Lebensjahr vorverlegten <strong>und</strong> eng an <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> eines<br />

frühen Selbstkonzepts knüpften. Hier ist vor allem Hoffman (1975; 1982) zu nennen, der in<br />

seinen theoretischen Arbeiten als erster <strong>die</strong>sen Gedanken entwickelte. Ihm zufolge vollzieht<br />

sich <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>empathischen</strong> <strong>Erlebens</strong> in mehreren Stufen, <strong>die</strong> jeweils Folge<br />

sozialkognitiver <strong>Entwicklung</strong>en sind. Im Vordergr<strong>und</strong> steht dabei <strong>die</strong> zunehmende<br />

Differenzierung des frühen Selbstkonzepts beziehungsweise der Ich-Andere-Unterscheidung.<br />

Hoffman (2000) hält an <strong>die</strong>ser Stufentheorie, <strong>die</strong> im Folgenden in groben Zügen dargestellt<br />

wird, bis heute fest <strong>und</strong> hat sie über <strong>die</strong> Jahre nur leicht modifiziert. Wie weiter unten noch zu<br />

zeigen sein wird, richtet sich <strong>die</strong> Kritik in <strong>die</strong>ser Arbeit vor allem gegen <strong>die</strong> Anzahl der<br />

postulierten Stufen <strong>und</strong> den <strong>die</strong>sen Stufen zugr<strong>und</strong>e liegenden sozialkognitiven<br />

<strong>Entwicklung</strong>en.<br />

Nach Hoffman durchläuft jedes Kind im L<strong>auf</strong>e seiner Ontogenese mehrere<br />

<strong>auf</strong>einander folgende Stufen <strong>empathischen</strong> <strong>Erlebens</strong>. Nach der Geburt befindet sich der<br />

Säugling in einem Zustand der Fusion, in dem er nicht zwischen dem Selbst <strong>und</strong> Anderen<br />

unterscheidet. Das führt dazu, dass der negative Affekt einer anderen Person im Sinne einer<br />

Gefühlsübertragung unmittelbar den gleichen negativen Affekt im Säugling auslöst, wie das<br />

beispielsweise beim reaktiven Weinen der Fall ist (Sagi & Hoffman, 1976). Ungefähr im<br />

sechsten Lebensmonat springt der negative Affekt der anderen Person laut Hoffman nicht<br />

mehr unmittelbar <strong>auf</strong> das Kind über, sondern es tritt eine gewisse Latenzzeit <strong>auf</strong>. Diese Latenz<br />

interpretiert er als erstes Anzeichen einer frühen Ich-Andere-Unterscheidung <strong>und</strong> bezeichnet

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!