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Briefe an Vanessa

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Wie wir vom kollektiven Unbewußten nicht sagen können, es<br />

sei bloß subjektiv oder rein objektiv, so lassen sich auch die<br />

Götter nicht festlegen. Die archetypischen Götter existieren<br />

nicht so, wie wir es von Dingen gewohnt sind, als sichtbare<br />

materielle Objekte. Dennoch existieren sie, und zwar<br />

unabhängig von unserem individuellen Geist, denn sie besitzen<br />

die Macht, unser Leben tiefgreifend zu beeinflussen – im<br />

schlechten wie im guten Sinne, und das hängt davon ab, wie<br />

wir ihnen gegenüber eingestellt sind. Um einen ungefähren<br />

Vergleich zu geben: Der Wind selbst ist unsichtbar, aber er ist<br />

von großem Einfluß auf unser Leben, indem er uns <strong>an</strong> einem<br />

heißen Sommertag Kühlung bringt oder eines weniger schönen<br />

Novembertages das Dach abdeckt.<br />

Auf drei der von Jung entdeckten Hauptarchetypen möchte<br />

ich hier kurz eingehen, nämlich auf den Schatten, die Anima<br />

und das Selbst. Es gibt d<strong>an</strong>eben jedoch viele <strong>an</strong>dere: die Weise<br />

Alte Frau, den Trickster, den Göttlichen König und so weiter.<br />

Der Schatten ist die Seite unserer Psyche, die uns verborgen<br />

bleibt, die wir leugnen und unterdrücken. Aber der Schatten<br />

zeigt sich doch, und je mehr wir ihn zu unterdrücken<br />

versuchen, desto deutlicher bekundet er sich indirekt. So mag<br />

beispielsweise ein M<strong>an</strong>n sich als ruhig und umgänglich sehen,<br />

dabei aber zu unbeherrschtem Zorn neigen, mit dem er die<br />

Menschen in seiner Umgebung verletzt. Ein <strong>an</strong>derer hält sich<br />

vielleicht für einen leidenschaftlichen Liebhaber, doch auf<br />

seinem Weg bleiben Frauen zurück, deren Herzen er mit seiner<br />

Kälte und Gefühllosigkeit gebrochen hat. Der ruhige und<br />

umgängliche M<strong>an</strong>n sieht nun vielleicht alle <strong>an</strong>deren als<br />

Wüteriche, während dem leidenschaftlichen Liebhaber alle<br />

<strong>an</strong>deren kalt und gefühllos erscheinen. Beide erkennen ihren<br />

Schatten nicht als zu sich gehörig und »projizieren« ihn, wie<br />

m<strong>an</strong> diese Verlagerung nennt, auf die Außenwelt.

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