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Briefe an Vanessa

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nennen und was zum modernen »aufgeklärten« Weltbild<br />

geführt hat. Eine der aus dieser Revolution hervorgeg<strong>an</strong>genen<br />

Ideen wirkt sich auf unser heutiges Leben besonders negativ<br />

aus, nämlich der Ged<strong>an</strong>ke, daß es im Universum keinen Geist<br />

gibt – abgesehen vom individuellen kleinen Geist in unserem<br />

Kopf. An dieser Idee halten Wissenschaftler besonders<br />

entschieden und mit geradezu religiösem Eifer fest. Sehen wir<br />

uns also <strong>an</strong>, wie es dazu kam, wie die Welt Schritt für Schritt<br />

ihres Geistes und ihres Lebens beraubt wurde. D<strong>an</strong>n gewinnen<br />

wir vielleicht die Freiheit zu sehen, daß das Universum<br />

genausogut von Geist – in der Form von Bewußtheit, Fühlen<br />

und natürlich auch Denken – erfüllt sein könnte, und daß dies<br />

durchaus keine primitive Ph<strong>an</strong>tasie ist.<br />

Im vorigen Brief habe ich über das mittelalterliche Europa<br />

und die Ähnlichkeit seines Weltbilds mit dem <strong>an</strong>derer Kulturen<br />

geschrieben. Ich habe Dir von der alchimistischen Vorstellung<br />

des teilnehmenden Bewußtseins und der Sympathie-Reson<strong>an</strong>z<br />

erzählt, »wie oben so auch unten«.<br />

Während des gesamten Mittelalters lebten die Menschen in<br />

einem Kosmos, dessen unbewegte Mitte die Erde bildete. Um<br />

das Jahr 1250 war Thomas von Aquin eine brill<strong>an</strong>te Synthese<br />

der Kirchendogmen und der (erst kurz zuvor<br />

wiederentdeckten) altgriechischen Theorien über die Natur und<br />

die Bewegungen der Sterne und Pl<strong>an</strong>eten gelungen. Es hatte<br />

viel Streit gegeben um die Frage, ob diese <strong>an</strong>tiken Theorien<br />

dem Kirchendogma widersprachen; Thomas konnte den Streit<br />

mit seiner Darstellung schlichten, und so blieb sie<br />

jahrhundertel<strong>an</strong>g gültig.<br />

Stell Dir diese geozentrische Welt einmal so lebhaft wie<br />

möglich vor, V<strong>an</strong>essa: Wie und wodurch konnten die<br />

Himmelskörper sich um eine feststehende Erde bewegen und<br />

die Pl<strong>an</strong>eten jede Nacht <strong>an</strong> einer <strong>an</strong>deren Stelle am Himmel<br />

erscheinen? Nach der Darstellung Thomas von Aquins

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