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Briefe an Vanessa

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– ungewöhnliche Naturereignisse, Omen, Traumbotschaften<br />

der Verstorbenen, göttliche und höllische Warnungen,<br />

Erleuchtungen, Zukunftsvisionen… Das Mittelalter verstehen<br />

heißt sich einer Bewußtseinsqualität <strong>an</strong>zunähern, die unsere<br />

moderne Bildung gerade diskreditieren möchte. Das<br />

Visionäre, für den rationalistischen Historiker peinlich und<br />

beunruhigend, war im Mittelalter keine Verirrung, sondern<br />

Gemeingut, nicht außerweltlich, sondern natürlich, eine<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

Und die Begegnung mit unkörperlichen Wesen ist nicht<br />

einfach eine Sache der grauen Verg<strong>an</strong>genheit. W. Y. Ev<strong>an</strong>s-<br />

Wentz war Anthropologe und Religionswissenschaftler und<br />

einer der ersten, die Texte des tibetischen Buddhismus<br />

übersetzten. Zu Anf<strong>an</strong>g unseres Jahrhunderts verbrachte er<br />

zwei Jahre in Irl<strong>an</strong>d, Schottl<strong>an</strong>d und Wales und sprach mit<br />

alten Leuten, die noch Feen sehen und hören konnten. Diese<br />

Feen hatten wenig mit den niedlichen kleinen Wesen gemein,<br />

die m<strong>an</strong> in heutigen Kinderbüchern sieht. Sie hatten die Größe<br />

von Menschen und sahen auch Menschen ähnlich, nur waren<br />

sie durchscheinend und leuchteten und trugen Kleider einer<br />

verg<strong>an</strong>genen Zeit. M<strong>an</strong> beobachtete sie bei allen möglichen<br />

Gelegenheiten – bei Prozessionen und Riten, bei der Jagd oder<br />

auch wenn sie Menschen halfen. Und sie wurden nicht nur von<br />

einigen wenigen gesehen, sondern von vielen.<br />

Als Ev<strong>an</strong>s-Wentz einen älteren M<strong>an</strong>n auf der Isle of M<strong>an</strong><br />

fragte, weshalb die jüngeren Leute diese Wesen nicht mehr<br />

sähen, erhielt er zur Antwort: »Bevor die Bildung auf diese<br />

Insel kam, konnten viele die Feen sehen; jetzt sind es nur noch<br />

g<strong>an</strong>z wenige.« Die schulische Erziehung wird den Menschen<br />

wohl gesagt haben, daß es Feen nicht gibt; und wenn Kindern<br />

das Sehen von Feen verboten wird, verlieren sie auch bald die<br />

Fähigkeit dazu.

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