27.12.2018 Aufrufe

Briefe an Vanessa

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

archetypischen Bilder so <strong>an</strong>sprechend finden. M<strong>an</strong> sieht sich<br />

selbst gern als Weiser, König, Trickster und dergleichen. Auch<br />

ich habe hier einige der Archetyen sehr vereinfacht dargestellt,<br />

und deshalb möchte ich hinzufügen, daß es sich um sehr starke<br />

Kräfte der Psyche h<strong>an</strong>delt, die uns m<strong>an</strong>chmal geradezu<br />

überwältigen können. Ein bißchen herumzuspielen mit netten<br />

kleinen Übungen, durch die wir <strong>an</strong>geblich den »inneren<br />

Weisen« entdecken – das war es wohl nicht, was Jung<br />

vorschwebte. Aber wenn wir uns den archetypischen Kräften<br />

in unserer Psyche stellen und sie wirklich kennenlernen,<br />

können wir uns zu einer neuen Stufe von innerer Harmonie<br />

und G<strong>an</strong>zheit hin entwickeln. Jung gel<strong>an</strong>gte zu diesen<br />

Entdeckungen nicht durch Grübeln <strong>an</strong> der Schreibmaschine,<br />

sondern durch intensive Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit seinem<br />

eigenen Unbewußten und durch fünfzig Jahre der Arbeit mit<br />

<strong>an</strong>deren. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren sah er von<br />

bewußter Kontrolle ab und ließ sich so weit in die Tiefe seiner<br />

Psyche hinunter, daß er ständig um seinen Verst<strong>an</strong>d fürchtete.<br />

Ein weniger mutiger Mensch hätte dieses Abenteuer nicht<br />

bestehen können, sondern wäre wahrscheinlich irgendwo<br />

gestr<strong>an</strong>det und hätte d<strong>an</strong>n sich selbst und <strong>an</strong>deren das Bild<br />

eines Verrückten geboten.<br />

Jung wies auf eine Veränderung des Zeitgefühls hin, die sich<br />

einstellt, wenn archetypische Energien, die Götter, sich in<br />

unserem bewußten Leben m<strong>an</strong>ifestieren. Zu solchen<br />

Augenblicken kommt es häufig <strong>an</strong> Grenzen, etwa zwischen<br />

Schlafen und Wachen, zwischen unbewußten und bewußten<br />

Zuständen, oder auch beim Überschreiten von äußeren<br />

Grenzen, etwa beim Überqueren von Brücken oder <strong>an</strong><br />

Kreuzungen. Es stellt sich hier m<strong>an</strong>chmal ein Gefühl von<br />

Zeitlosigkeit ein, alles wirkt so seltsam still oder scheint<br />

stillzustehen. Im Reich des Archetypischen ist Zeit nicht das<br />

Verstreichen leerer Augenblicke in endloser Folge – unser

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!