Industrieanzeiger 09/10.2019
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technik & wissen<br />
Im Smartform-Verfahren von Thyssenkrupp werden in der Kalibrierphase...<br />
...über die Bauteilkante Druckspannungen induziert, die Rückfederungseffekte<br />
verhindern. Bilder: Thyssenkrupp<br />
Wirtschaftliche Wege zu hochfesten Karosseriebauteilen<br />
Kaltumformen<br />
in neuer Dimension<br />
Umformtechnik | Hochfeste und ultrahochfeste Stähle<br />
sind die Leichtmacher fürs Auto der Zukunft. Weiterentwickelte<br />
Werkstoffe und ausgeklügelte Werkzeuge<br />
eröffnen dem Tiefziehen neue Möglichkeiten.<br />
Alle reden vom Presshärten, auch wenn die<br />
meisten Karosserieteile wohl auch künftig<br />
kaltumgeformt werden – und zwar in höher-<br />
und hochfesten Stahlgüten. Im Januar<br />
hat Mazda veröffentlicht, in der neuen Generation<br />
des Mazda 3 seien kaltumgeformte<br />
Stahlteile mit Festigkeiten von 1310 MPa<br />
für die A-Säule, Scharniersäule, den Dach -<br />
innenholm und andere Segmente verbaut.<br />
Bislang galt oberhalb von 1200 MPa das<br />
Press härten als Methode der Wahl.<br />
Die Zahl der pressgehärteten Bauteile im<br />
Automobilbau hat in den letzten Jahren<br />
deutlich zugenommen, und zwar nach<br />
Angaben der Forschungsvereinigung Stahlanwendung<br />
von 107 Mio. Teilen im Jahr<br />
2007 auf rund von 574 Mio. 2018. Eine Erfolgsgeschichte,<br />
die weniger der Effizienz<br />
des Verfahrens als mehr der Tatsache geschuldet<br />
ist, dass sich ultrahochfeste und<br />
höchstfeste Stähle mit mehr als 1200 MPa<br />
nur warmumformen lassen. Denn trotz der<br />
Vorteile pressgehärteter Bauteile für den<br />
Leichtbau, das Verfahren ist aufwendig und<br />
schwierig in der Prozessführung. Das Glühen<br />
der Bauteile auf 950 °C, der Transport<br />
der heißen Teile, Umformen, Abschrecken<br />
und Härten im Werkzeug – das alles erfordert<br />
große Anlagen und Öfen. Und nicht zuletzt<br />
ist der Verschleiß vor allem der Werkzeuge<br />
hoch.<br />
Jährlich werden derzeit rund 83 Mio.<br />
Fahrzeuge hergestellt, die meisten Karosserieteile<br />
darin sind kaltumgeformt, meist tiefgezogen.<br />
Die Anlagentechnik dafür ist im<br />
Vergleich zu Presshärteanlagen weniger<br />
komplex und sehr viel einfacher zu beherrschen,<br />
die Zykluszeiten sind kürzer und die<br />
Bauteile profitieren von einer höheren<br />
Oberflächenqualität. Allerdings sind die erforderlichen<br />
Umformkräfte deutlich höher,<br />
es lassen sich nur vergleichsweise geringe<br />
Umformgrade realisieren und die Rückfederung<br />
wirkt sich negativ auf die Maßhaltigkeit<br />
der Bauteile aus.<br />
Auf der einen Seite entwickeln die Stahlhersteller<br />
stetig neue hochfeste Stahlgüten<br />
mit höherer Duktilität, unter anderem kommen<br />
verbesserte hoch- und höchstfeste<br />
Mehrphasenstähle wie Dual- und Komplexphasenstähle<br />
aber auch TWIP- (Twinning<br />
Induced Plasticity), TRIP- (Transformation<br />
Induced Plasticity) und Martensitstähle zum<br />
Einsatz. Auf der anderen Seite reizen weiterentwickelte<br />
Umformverfahren und neue<br />
66 <strong>Industrieanzeiger</strong> <strong>09</strong>/10.19