Neu Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 60
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• Geschmackssachen Michelin 2022
MAGERE ERNTE
MICHELIN 2022: IM OSTEN (FAST) NICHTS NEUES
VON JÖRG TEUSCHER
„Ich glaube, dass Sterne und Punkte eine zunehmend zu vernachlässigende
Währung sind.“ Das Zitat stammt von Ivo Ebert,
Gründer und Geschäftsführer des Berliner Sternerestaurants Einsunternull
(s. auch Seite 26).
Wer die Berichte zur deutschen 2022er Michelinstar-Parade in
den wichtigsten Blättern las, muss Ivo Ebert Recht geben. Keine
mehrspaltigen Kommentare wie einst, meist nur Aufzählungen – wer
hat wie viele – dazu noch ein paar schmückende Bemerkungen, das
war’s dann auch schon.
Lediglich Großkritiker Jürgen Dollase äußerte sich in epischer
Breite, wohl aber auch nur deshalb, weil in diesem Jahr in Deutschland
ein Denkmal vom Sockel geholt wurde (wie drei Jahre zuvor in Frankreich).
Gemeint ist die Abwertung Joachim Wisslers von drei Sternen
auf zwei, für Dollase „eine der schlimmsten Fehleinschätzungen in
der Geschichte des deutschen Michelin-Führers.“
Natürlich hat er auch Gründe für Wisslers Teilentsternung erfahren.
Seine Gerichte seien zu komplex, zu kompliziert, hieß es. Im Falle der
Abwertung von Marc Haeberlin 2019 übrigens, waren die Speisen zu
wenig komplex und nicht kreativ genug.
Vielleicht ist das aber auch alles viel einfacher und geht so: Wer
seine Bücher verkaufen will, muss für sie werben, und mit der Überschrift
„Im Westen nichts Neues“ wirbt es sich natürlich nicht sonderlich
gut. Ein schlagzeilenträchtiger Kracher macht sich da sicher
besser, weil es schon im Osten (fast) nichts Neues gibt.
Berlin und Brandenburg bekamen je ein neues Sternerestaurant
ebenso wie Sachsen-Anhalt (Speiseberg in Halle / Saale). In Mecklenburg-Vorpommern
blieb es wieder mal beim Status quo.
Ach ja, und was den neuen grünen Umweltstern betrifft – zumindest
in Berlin sollten sich die Michelin-Inspektoren beim nächsten Test
mehr Zeit nehmen – etwa für das Ezsra, das Merhold oder das Otto.
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