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Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2023

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Ein Mensch, verbittert und von höchster Intelligenz, erklärt seine Unabhängigkeit<br />

vom Lauf <strong>der</strong> Dinge. Sein übersteigertes, feinnerviges Bewusstsein vom Zustand <strong>der</strong><br />

Welt hat ihn zum Untätigen werden lassen. Verzweifelt, komisch, schmerzhaft und<br />

voller Wi<strong>der</strong>sprüche erkennen wir in ihm einen Repräsentanten unserer Zeit. Nina<br />

Hoss steigt in den Gedankenfluss von Dostojewskis psychologischem Meisterwerk<br />

ein und folgt den kreisenden und hakenschlagenden Sätzen in die Tiefen seines humanen<br />

Pessimismus. Wie kaum ein an<strong>der</strong>er Schriftsteller hat Fjodor Dostojewski<br />

die Not des Menschen, seine vergebliche Suche nach sich selbst beschrieben. Gleich<br />

zweimal begegnen wir diesem Autor im diesjährigen Festival: in <strong>der</strong> Vorlage für Leoš<br />

Janáčeks Oper Aus einem Totenhaus und in dieser frühen Erzählung, die die Hauptphase<br />

seines Schaffens einläutet und in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> ganze philosophische Problemhorizont<br />

seiner fünf großen Romane bereits ankündigt. Fjodor Dostojewskis Mo<strong>der</strong>nität<br />

findet sich in den wesentlichen Fragen, die er stellt: nach <strong>der</strong> Freiheit des Menschen,<br />

nach Erkenntnis, nach dem Leben, dem Tod, dem Wesen des Schönen, <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

des Glaubens, dem Vertrauen auf den Fortschritt, das sich mit <strong>der</strong> Hoffnung verbindet,<br />

<strong>der</strong> Mensch begänne gut zu handeln, wenn er über seine wahren Interessen aufgeklärt<br />

sei. Letzteres bezweifelt die erzählende Figur vehement, sie ringt um Wahrhaftigkeit,<br />

leuchtet hinein in unser Unbewusstes und beweist sich schließlich ihren freien Willen<br />

dadurch, dass sie sich für das Wi<strong>der</strong>sinnige, Unvernünftige, womöglich Zerstörerische<br />

entscheidet. Das Publikum ist eingeladen, sich in <strong>der</strong> Mischanlage Essen Schritt für<br />

Schritt den Weg in das »Kellerloch« zu bahnen, sich von <strong>der</strong> Soundcollage Alex Silvas<br />

führen zu lassen, um schließlich bei Tee und Wodka dem furiosen Monolog beizuwohnen.<br />

Ein moralisch-literarisches Intensitätserlebnis son<strong>der</strong>gleichen.<br />

Regie<br />

Barbara Frey<br />

Bühne, Kostüme<br />

Bettina Meyer<br />

Sound Design, Komposition<br />

Alex Silva<br />

Licht Design<br />

Ulrich Schnei<strong>der</strong><br />

Bühnenbildassistenz<br />

Samuel Herger<br />

Regieassistenz<br />

Mechthild Harnischmacher<br />

Mit<br />

Nina Hoss<br />

One person, seemingly embittered but highly intelligent, articulates their independence<br />

from the course of events. Their exaggerated and highly strung awareness of the<br />

state of the world has led them to become inactive. Desperate, comic, painful and full<br />

of contradictions, we can see them as representative of our time. Nina Hoss immerses<br />

herself in the stream of thought of this psychological masterpiece and follows its<br />

whirling and sidestepping sentences down into the depths of human pessimism.<br />

Fyodor Dostoyevsky described human misery and humanity’s vain search for itself like<br />

practically no other writer. We encounter this author twice at this year’s festival; in the<br />

novel on which Janáček based his opera From the House of the Dead and in this early<br />

short story which heralded the principal phase of his creative output and which touches<br />

upon the full spectrum of philosophical problems addressed in his five great novels.<br />

Fyodor Dostoyevsky’s mo<strong>der</strong>nity can be found in the essential questions he asks:<br />

about the possibility of human freedom, about knowledge, about life, death, the nature<br />

of beauty, the possibility of belief, faith in progress, which is connected to the hope<br />

that humans may act benevolently if they are enlightened as to their true interests.<br />

The latter is something the narrator severely doubts – they grapple for the truth, shed<br />

light on our unconscious and ultimately prove their own free will by choosing what is<br />

nonsensical, unreasonable and potentially destructive.<br />

The audience at the Mischanlage in Essen is invited to make its way step by step<br />

»un<strong>der</strong>ground« in or<strong>der</strong> to witness this bravura monologue over tea and vodka. A moral<br />

and literary experience of unparalleled intensity.<br />

Mischanlage,<br />

Welterbe Zollverein, Essen<br />

Mi 20. September_______ 20.00 Uhr<br />

Do 21. September_______ 20.00 Uhr<br />

Fr 22. September_______ 20.00 Uhr<br />

Sa 23. September_______ 20.00 Uhr<br />

Tickets: 32 €, ermäßigt 12 €<br />

Deutsch mit englischen<br />

Übertiteln<br />

Eine Produktion <strong>der</strong><br />

<strong>Ruhrtriennale</strong><br />

www.ruhr3.com/kellerloch<br />

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