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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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Im Zusammenhang mit diagnostischen und Behandlungskonzepten etablierte sich eine<br />

Praxis der Begutachtung <strong>von</strong> Trans*Menschen. Diese dient zwei Bereichen der Entscheidungsfindung:<br />

a) darüber, welche_r Antragsteller_in <strong>im</strong> Verfahren nach dem 1981 eingeführten Transsexuellengesetz<br />

(TSG) den Vornamen bzw. den Personenstand ändern darf (Begutachtungsverfahren<br />

nach TSG),<br />

b) über die Zulassung zu operativen Körperveränderungen (Begutachtung durch den<br />

Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen MDK). 51<br />

a) Mit dem deutschen „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der<br />

Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“, dem sogenannten Transsexuellengesetz<br />

(TSG) 52 , <strong>von</strong> 1981 geht eine Verschränkung <strong>von</strong> Recht und Medizin einher. Das TSG legt für<br />

die Änderung des Vornamens bzw. des Personenstands die medizinische Diagnose Transsexualität<br />

zugrunde. Ein seit mindestens drei Jahren bestehender „Zwang“, entsprechend<br />

der „transsexuellen Prägung“ zu leben, sowie die Prognose der Irreversibilität des Zugehörigkeitsempfindens<br />

zum „anderen Geschlecht“ ist durch zwei Gutachten <strong>von</strong> bei Gericht<br />

zugelassenen Spezialist_innen zu belegen. Die Beurteilung der Antragsteller_innen hinsichtlich<br />

dieser Kriterien wird so vom Recht an die Medizin delegiert. 53<br />

Einige dem TSG zugrunde liegende normative Annahmen werden nicht nur <strong>von</strong> Trans*Aktivist_innen<br />

kritisiert, sondern gelten inzwischen auch in der medizinischen Diskussion<br />

als überholt: Dies betrifft u. a. die Norm der Heterosexualität <strong>im</strong> Identitätsgeschlecht und<br />

die strikte Zwei-Geschlechter-Norm, ohne die Verschiedenartigkeit der Wünsche <strong>von</strong><br />

<strong>Trans*Personen</strong> nach Körperveränderungen in den Blick zu nehmen (vgl. HBIGDA 2001;<br />

WPATH 2010; Becker 2009). 54<br />

b) 1997 wurden als Richtlinien nicht nur für die o. a. Begutachtung nach dem TSG, sondern<br />

auch für die Gutachten zur Indikationsstellung für Operationen zur Geschlechtsangleichung<br />

die „Standards zur Behandlung und Begutachtung <strong>von</strong> Transsexuellen“<br />

(Becker et al. 1997) publiziert. Sie sind angelehnt an die erstmals 1979 erschienenen internationalen<br />

„Standards of Care“ (SoC) der Harry Benjamin International Gender Dysphoria<br />

Association (HBIGDA). 55<br />

Die deutschen Behandlungsstandards sehen den sogenannten „Alltagstest“ vor, eine Zeitspanne<br />

<strong>von</strong> mindestens 1–1 ½ Jahren, in der eine Trans*Person unter psychotherapeutischer<br />

Begleitung vor jeglicher medizinischer Geschlechtsveränderung in allen sozialen Berei-<br />

51 Bei privaten Krankenkassen gelten Einzelfallentscheidungen ohne einheitliches Verfahren.<br />

52 BGBl I 1980, 1654.<br />

53 Vgl. da Silva 2005, S. 258.<br />

54 Der Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung sieht vor, das TSG gemäß der Rechtsprechung des<br />

Bundesverfassungsgerichtes und neuen medizinischen Erkenntnissen auf eine „zeitgemäße Grundlage“ zu<br />

stellen, „um den betroffenen Menschen ein freies und selbstbest<strong>im</strong>mtes Leben zu ermöglichen“ (Koalitionsvertrag<br />

2009, S. 108).<br />

55 Die HBIGDA wurde 2006 umbenannt in World Professional Association for Transgender Health (WPATH). Die<br />

Standards of Care liegen inzwischen in der 6. Version vor (HBIGDA 2001), eine Weiterentwicklung, die die<br />

seit 1997 unveränderten deutschen Standards nicht mitvollzogen haben.<br />

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