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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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„sexuellen Identität“ fallen soll, oder ob „Geschlecht“ die richtigere Zuordnung ist. Die<br />

Befürworter der Subsumtion transsexueller Menschen unter das „Merkmal“ „sexuelle<br />

Identität“ aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum beziehen sich fast ausschließlich<br />

auf die Gesetzesbegründung zum AGG350 oder verweisen auf die vom EuGH in den Fällen<br />

<strong>von</strong> Transsexualität widersprüchlich gebildeten Geschlechter-Vergleichsgruppen. 351 Koch-<br />

Rein (2006) sieht in der bisherigen Debatte ein Transgender352 weitgehend ignorierendes<br />

Verständnis <strong>von</strong> „sexueller Identität“. In der Psychologie werde unter sexueller Identität<br />

sexuelle Orientierung und Beziehungsgestaltung verstanden, es bestehe daher, so Koch-<br />

Rein, „die Gefahr, dass in dem Merkmal sexueller Identität Transgender hinter sexueller Orientierung<br />

verschwinde[t].“ 353 Koch-Rein bewertet die Wahl des Begriffs der „sexuellen Identität“<br />

<strong>im</strong> AGG darüber hinaus als Schaffung einer „differentiellen Konstruktion des<br />

Geschlecht­Sexua lität­,Biologie‘ Verhältnisses, bei dem Transgender letztlich <strong>von</strong> ,seriösem‘<br />

Geschlecht abgetrennt und der sexuellen Orientierung zugeordnet wird.“ 354 Die bislang in<br />

der Rechtswissenschaft fehlende Definition <strong>von</strong> „sexueller Identität“ führt bei einigen<br />

Vertreter_innen <strong>im</strong> Schrifttum und in der Rechtspraxis zur Kritik der Uneindeutigkeit des<br />

Begriffs. 355 Offen bleibe, ob der Schutz der „sexuellen Identität“ nur ein unverfügbares<br />

persönliches „Merkmal“ umfasse, oder ob auch sexuelle Verhaltensweisen vom Schutz<br />

umfasst seien. 356 Thüsing (2007) definiert „sexuelle Identität“ in Anlehnung an die Entscheidung<br />

des US-Court in der Rechtssache Oncale v. Sundowner, 523 U.S. 75 [1998] als<br />

Präferenz bei der sexuellen „Objektwahl“. Damit werde allgemein Heterosexualität, Homosexualität<br />

und Bisexualität verstanden. Da<strong>von</strong> zu unterscheiden sei die Geschlechtsidentität,<br />

die das Gefühl bezeichne, männlich, weiblich oder hermaphroditisch zu sein. Transsexualität<br />

liege vor, wenn die Geschlechtsidentität nicht mit dem anatomischen Geschlecht<br />

zusammenfalle, weshalb eine Diskr<strong>im</strong>inierung <strong>von</strong> transsexuellen Menschen eine Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

aufgrund ihres „Geschlechts“ sei. 357 Auch anderen Kritiker_innen erscheint die<br />

Einbeziehung transsexueller Menschen in den <strong>von</strong> der „sexuellen Identität“ geschützten<br />

Personenkreis als keineswegs selbstverständlich. Transsexualität wird als Frage der Geschlechtsidentität<br />

angesehen, die <strong>von</strong> der sexuellen Identität zu unterscheiden sei. Darüber<br />

hinaus sei Transsexualität nach der Rechtsprechung des EuGH auch bereits durch „Geschlecht“<br />

geschützt. 358<br />

350 Vgl. etwa Schlachter in: Erfurter Kommentar (2010), AGG § 1 Rn. 13.<br />

351 Vgl. Adomeit in: KommAGG (2007), § 1 Rn. 64: „Dies zeigt sich auch schon an der Feststellung, dass eine Person,<br />

die entlassen worden sei, weil sie beabsichtigte, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen,<br />

gegenüber den Angehörigen des Geschlechts benachteiligt worden sei, dem sie vor der Operation angehört<br />

habe. Der maßgeblichen Operation hatte sich der Kläger aber noch gar nicht unterzogen, weshalb er<br />

nach dem Gerichtshof gegenüber den Angehörigen des Geschlechts, dem er selbst <strong>im</strong>mer noch angehörte,<br />

benachteiligt wurde.“<br />

352 Transgender wird hier als Oberbegriff für vielfältige Weisen <strong>von</strong> Trans* verwendet.<br />

353 Koch-Rein, Streit 2006, S. 14.<br />

354 Ebd.<br />

355 Vgl. Hohmann-Dennhardt, KJ 2009, Beiheft 1, S. 125 ff. (S. 126): Thüsing 2007, Rn. 214. Siehe auch: Anhörung<br />

<strong>von</strong> Prof. Dr. Klaus Gärditz am 21.04.2010 <strong>im</strong> Bundestag. Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur<br />

Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1). Gärditz sieht eine Privilegierung des punktuellen<br />

Identitätselements der Sexualität bei Aufnahme <strong>von</strong> „sexueller Identität“ in Art. 3 III GG: „Für einen herausgehobenen<br />

Schutz des Sexuellen schlechthin, der das Sexualleben aus der Vielfalt anderer, ebenfalls wichtiger<br />

Identitätsmerkmale heraushebt und hierdurch gleichsam adelt, besteht letztlich weder ein Bedürfnis<br />

noch eine sachliche Rechtfertigung […]“, ebd., S. 7; Anhörung <strong>von</strong> Dr. Marc Schüffner am 21.04.2010 <strong>im</strong> Bundestag:<br />

schriftliche Stellungnahme zu den BT-Drucksachen 17/254. 17/472 und 17/88 <strong>im</strong> Rahmen der Anhörung<br />

<strong>von</strong> dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 21. April 2010.<br />

356 Sexuelle Verhaltensweisen bejahend: Rohloff 2009, § 1 AGG, Rn. 9; ablehnend: Preis 2007, S. 249, 310; Thüsing<br />

2007, Rn. 216.<br />

357 Thüsing 2007, Rn. 215. Thüsing geht weiter da<strong>von</strong> aus, dass beide Merkmale (Geschlecht und sexuelle Identität)<br />

einander ausschließen.<br />

358 Vgl. Schiek 2007, § 1 AGG, Rn. 27 ff.; Rust 2007, § 1 AGG, Rn. 43 ff.; Tolmein 2008, S. 115 f.; Däubler 2008, § 1, Rn. 48.<br />

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