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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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diskr<strong>im</strong>iniert wurde. 318 Jedoch bedeutet dies nach Koch-Rein (2006) „nicht unbedingt, dass<br />

der Gerichtshof sich damit einer in transgender Sicht weitergehenden Entscheidung verschlossen<br />

hat.“ 319 Auch die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) sieht „[…] no reason<br />

not to extend the protection from discr<strong>im</strong>ination beyond these persons [Personen mit operativer<br />

Geschlechtsanpassung, A. d. V.], to cover ‘cross dressers’ and transvestites, people who live<br />

permanently in the gender ‘opposite’ to that on their birth certificate without any medical intervention<br />

and all those people who s<strong>im</strong>ply wish to present their gender differently.“ 320<br />

Die Richtlinie 2006/54/EG (sog. Gender Recast Directive) des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung<br />

<strong>von</strong> Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen bezieht sich <strong>im</strong> Erwägungsgrund<br />

(3) ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der die Tragweite des<br />

Grundsatzes der Gleichbehandlung <strong>von</strong> Männern und Frauen nicht auf das Verbot der<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund des natürlichen „Geschlechts“ einer Person beschränkt werden<br />

kann. Der Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz gilt laut Erwägungsgrund daher auch für Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

aufgrund einer Geschlechtsanpassung. 321 Auch wenn in den Regelungen der Richtlinie<br />

diese Ausweitung des Begriffs des „Geschlechts“ nicht aufgenommen wurde, können<br />

sich Trans*Menschen auf Schieds-, Administrativ- und Rechtsverfahren mit Bezug auf das<br />

Merkmal Geschlecht berufen. 322 Die Transposition in nationale Gesetzgebung war für den<br />

15. August 2008 vorgesehen, seitdem ist diese Direktive in allen EU-Mitgliedstaaten bindend.<br />

323 Auch jede nationale Transposition der Gender Recast Directive kann, selbst wenn<br />

sie, wie <strong>im</strong> deutschen Gesetzesentwurf, „Geschlechtsanpassung“ nicht ausdrücklich erwähnt,<br />

als rechtliche Grundlage für Trans*Menschen betrachtet werden, um sich gegen<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung <strong>im</strong> Arbeitskontext zu wehren. 324 Es bleibt abzuwarten, ob der Diskr<strong>im</strong>inierungsgrund<br />

„Geschlechtsidentität“ in der noch für das Jahr 2010 angekündigten überarbeiteten<br />

Fassung der EU-Richtlinien zu Geschlecht aufgenommen wird. 325<br />

2.3 Verfassungsrechtlicher Schutz<br />

<strong>Trans*Personen</strong> stehen unter dem Schutz der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 I GG, dem<br />

Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (allgemeines Persönlichkeitsrecht) aus<br />

Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG und dem Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 I GG326 .<br />

318 Vgl. auch EP/Castagnoli 2010, S. 5.<br />

319 Koch-Rein 2006, S. 13.<br />

320 European Union/Agency for Fundamental Rights 2009, S. 131. „Es gibt keinen Grund, den Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz<br />

nicht auch über diese Personen [Personen mit operativer Geschlechtsanpassung, A. d. V.] hinaus auszuweiten<br />

und ohne medizinische Interventionen auf Cross­Dresser und Transvestiten auszudehnen, auf Menschen,<br />

die dauerhaft in dem <strong>im</strong> Vergleich zu dem in der Geburtsurkunde vermerkten ,entgegen gesetzten‘ Geschlecht<br />

leben, und auf alle Menschen, die sich einfach wünschen, ihren Geschlechtsausdruck anders nach außen zu repräsentieren.“<br />

Vgl. auch Fabeni/Agius 2009.<br />

321 RL 2006/54/EG (Erwägungsgrund (3)).<br />

322 Vgl. Fabeni/Agius 2009, S. 20.<br />

323 Vgl. ebd., S. 21.<br />

324 Vgl. Burri/Pechal 2009, S. 5, S. 9.<br />

325 In die aktuelle Strategie für die Gleichstellung <strong>von</strong> Frauen und Männern 2010–2015 der Europäischen Kommission<br />

wurde „Geschlechtsidentität“ als Diskr<strong>im</strong>inierungsgrund erstmals aufgenommen sowie zusammen<br />

mit diskr<strong>im</strong>inierungsfreien Geschlechterrollen, die die Wahlfreiheit der bzw. des Einzelnen nicht<br />

einschränken, als Querschnittsaufgabe definiert (vgl. KOM[2010] 491 endgültig, S. 12–13).<br />

326 Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG schützt Trans*Menschen vor Ungleichbehandlungen, sofern<br />

diese unverhältnismäßig und nicht sachlich gerechtfertigt sind. Das BVerfG hat in einem Beschluss aus<br />

dem Jahr 2009 (BVerfG, Beschl. v. 07.07.2009 – 1 BvR 1164/07) hervorgehoben, dass „Anforderungen bei einer<br />

Ungleichbehandlung <strong>von</strong> Personengruppen umso strenger [sind], je größer die Gefahr ist, dass eine Anknüpfung<br />

an Persönlichkeitsmerkmale, die mit denen des Art. 3 Abs. 3 GG vergleichbar sind, zur Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

einer Minderheit führt. Das ist bei der sexuellen Orientierung der Fall.“<br />

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