Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben
Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben
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Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) und die Fachabteilung C Bür-<br />
gerrechte und Verfassungsfragen des Europäischen Parlaments, die beide den Stand der<br />
Umsetzung europäischer Vorgaben und die Rechte <strong>von</strong> Trans*Menschen in den EU-Mitgliedstaaten<br />
vergleichen, bewerten die deutsche Umsetzung unter dem Begriff der „sexuellen<br />
Identität“ als Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz aufgrund „sexueller Orientierung“ bzw. sexueller<br />
Ausrichtung. 359 Von den 27 Mitgliedstaaten würden 14 Staaten Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong>von</strong><br />
Trans*Menschen als Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund des „Geschlechts“ verstehen und nur zwei,<br />
darunter Deutschland, als Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund „sexueller Orientierung“. Elf Mitgliedstaaten<br />
hätten keine gesetzliche Regelung zum Schutz <strong>von</strong> Trans*Menschen. 360<br />
2.5 Rechtsprechungsübersicht (Deutschland):<br />
<strong>Trans*Personen</strong> und Erwerbsarbeit<br />
Insgesamt findet sich <strong>im</strong> deutschen Rechtsraum kaum Rechtsprechung zu Fällen <strong>von</strong> Trans*-<br />
Menschen <strong>im</strong> Kontext <strong>von</strong> Erwerbsarbeit. Im Folgenden werden die einzelnen Entscheidungen<br />
seit dem Jahr 1990 kurz aufgezeigt, wobei unter den Gerichtsentscheidungen nach<br />
2006 lediglich in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt aus dem Jahr 2007 ein<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz des transsexuellen Klägers nach dem AGG in Betracht gezogen<br />
und geprüft wurde.<br />
Im Jahr 1990 entschied das Landesarbeitsgericht Berlin, dass eine transsexuelle Person<br />
schon vor Änderung ihres Vornamens und vor Wechsel der Geschlechtszugehörigkeit nach<br />
dem TSG Ansprüche auf Aushändigung <strong>von</strong> Dienstkleidung ihres Wunschgeschlechts<br />
haben kann. 361<br />
Das Bundesarbeitsgericht hatte <strong>im</strong> Jahr 1991 einen Fall zu entscheiden, in dem es um die<br />
Rechtmäßigkeit einer Kündigung einer Arzthelferin ging, die ihrem Arbeitgeber zunächst<br />
verschwiegen hatte, dass sie eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle und ihre operative Geschlechtsanpassung<br />
noch nicht vollzogen war. 362 Der Arzt als Arbeitgeber hatte den Vertrag mit der<br />
Arzthelferin wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) angefochten. Das Bundesarbeitsgericht<br />
verneinte in seiner Entscheidung zwar das Vorliegen einer arglistigen Täuschung, da<br />
die §§ 1, 5 TSG der Klägerin erlaubten, den „Mangel an weiblicher Identität“ ungefragt zu<br />
verschweigen. 363 Das Gericht akzeptierte aber ein Anfechtungsrecht des Beklagten gegen<br />
den Vertrag wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, der „vollen weiblichen<br />
Identität“, der Person (§ 119 II BGB). 364 Dieses Anfechtungsrecht verstieß nach Ansicht<br />
des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen § 611 a BGB (a. F.), da ein sachlicher Differenzierungsgrund<br />
deshalb vorlag, weil die Eigenschaft als Frau für den Arbeitgeber nach seinem unbestrittenen<br />
Sachvortrag auch für seine Patient_innen unverzichtbar sei. 365<br />
359 EP/Castagnoli 2010, S. 4; European Union Agency for Fundamental Rights 2009, S. 132.<br />
360 EP/Castagnoli 2010, S. 4; Europäische Nichtregierungsorganisationen haben <strong>im</strong> Jahr 2009 gemeinsam<br />
Beispiele für eine gelungene Antidiskr<strong>im</strong>inierungsgesetzgebung und Inklusion <strong>im</strong> Bereich Transgender<br />
veröffentlicht. Hervorgehoben wird das novellierte schwedische Antidiskr<strong>im</strong>inierungsgesetz aus dem Jahr<br />
2009, das ausdrücklich „transgender identity or expression“ neben Geschlecht, Religion u. a. in den Katalog<br />
aufn<strong>im</strong>mt (vgl. Agius/Ehrt 2009, S. 4).<br />
361 LAG Berlin, Urt. v. 02.10.1990 – 10 SA 57 u. 64/90; ARST 1991, S. 23.<br />
362 BAG, Urt. v. 21.02.1991 – 2 AZR 449/90 (Juris).<br />
363 Ebd. Rn. 28.<br />
364 Ebd. Rn. 43.<br />
365 Ebd. Rn. 48.<br />
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