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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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I Übererfüllung beruflicher Anforderungen: Besondere fachliche Kenntnisse (Spezialisie-<br />

rung) eröffnen Spielräume für <strong>Trans*Personen</strong>. Transmänner erfahren patriarchale Divi-<br />

dende, männlichen Kompetenzbonus 83 , wohingegen sich Transfrauen als Frauen beson-<br />

ders beweisen müssen. 84<br />

Nach Schirmer sind Transgressionen der Zwei-Geschlechter-Ordnung in der Arbeitswelt oft<br />

nicht lebbar. Das Verlassen der Dichotomie männlich-weiblich bedeute den Verzicht auf<br />

beruflichen Aufstieg. 85<br />

1.2.4 Wissenschaften <strong>im</strong> Dialog mit und über Trans*?<br />

Auf internationaler Ebene findet inzwischen punktuell ein Austausch zwischen medizinisch-psychologischen,<br />

trans* theoretischen und -aktivistischen sowie sozialwissenschaftlichen<br />

Positionen statt, 86 allerdings oft mit ungleichen Partizipationsmöglichkeiten und<br />

Hierarchien der Dialogpartner_innen. In Deutschland wurde bei der Erarbeitung der<br />

Behandlungsstandards (Becker et al. 1997) „auf die Anhörung <strong>von</strong> Betroffenenorganisationen<br />

und Kulturwissenschaftlern“ verzichtet. 87 Die 2009 veröffentlichten Begutachtungsrichtlinien<br />

für die Medizinischen Dienste der gesetzlichen Krankenkassen wurden ebenfalls<br />

ohne einen Dialog mit Trans*Expert_innen erstellt.<br />

Aus den Perspektiven der verschiedenen wissenschaftlichen Felder wird die Frage kontrovers<br />

diskutiert, ob Transgeschlechtlichkeit eine psychische Störung sei, oder ob Störungskategorien<br />

vielmehr gesellschaftliche Normen widerspiegeln. 88 Weiterhin steht zur Debatte,<br />

ob und wie bei einer Entpathologisierung bzw. Abschaffung der Diagnose und damit des<br />

Krankheitswerts Trans*Menschen weiterhin Zugang zu medizinischer Versorgung und<br />

deren Kostenübernahme sowie zur rechtlichen Absicherung erhalten.<br />

Vance et al. (2010) befragten 43 internationale Trans*Organisationen nach ihren Positionen<br />

zur Frage nach Reform oder Streichung der Diagnosen <strong>von</strong> „Geschlechtsidentitätsstörungen“.<br />

56 % der Organisationen sprachen sich für die Abschaffung der Diagnosen aus. Als<br />

Begründung führten <strong>insbesondere</strong> US-Organisationen an, dass die Diagnosen, indem sie<br />

einen wichtigen Teil der Identität pathologisieren, gerade eine Ursache für Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

darstellen können. Weiter argumentieren Expert_innen aus dem Kontext <strong>von</strong> Transgender<br />

Studies und Trans*Bewegungen, dass die Geschlechtsidentitätsstörungsdiagnosen<br />

den Zugang zu medizinischer Versorgung vieler Trans*Menschen nicht sichern, sondern<br />

<strong>im</strong>mer dann verschließen würden, wenn diese nicht in das diagnostische Schema passten<br />

(GID Reform Advocates o. J.).<br />

83 Dies entspricht der männlichen Konnotation <strong>von</strong> Sachlichkeit und fachlicher Kompetenz (vgl. Heintz/Nadai<br />

1998; Boudry et al. 2002).<br />

84 Schirmer 2010, S. 351, S. 366 ff.<br />

85 Schirmer 2010, S. 369.<br />

86 So setzten sich die Leitungsgremien der WPATH inzwischen nicht mehr nur aus nicht transgeschlechtlichen<br />

Mediziner_innen und Psycholog_innen zusammen, sondern auch aus Expert_innen unterschiedlicher Disziplinen<br />

mit Anbindung an Trans*Kontexte, vgl. http://wpath.org/about_committees.cfm.<br />

87 Becker 1998, S. 155.<br />

88 Vgl. z. B. Becker 2009. Rauchfleisch (2009) zieht Erkenntnisse der Geschlechterforschung heran und sieht<br />

in der Entpathologisierung und gesellschaftlichen Akzeptanz <strong>von</strong> transidentischen bzw. nicht zweigeschlechtlichen<br />

Lebensentwürfen Schritte in Richtung „echter Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung“<br />

der Geschlechter (ebd., S. 191 ff.).<br />

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