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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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Für diese Personen bleibt derzeit eine rechtliche Unsicherheit hinsichtlich der Zuordnung<br />

zu einem „Merkmal“ <strong>im</strong> Sinne des AGG.<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen erfahren Trans*Menschen vorwiegend nicht aufgrund ihrer sexuellen<br />

Ausrichtung, die hetero-, homo-, bisexuell, queer, pansexuell 381 oder anders sein kann,<br />

sondern gerade aufgrund der Tatsache, dass sie sich entweder keinem der zwei anerkannten<br />

Geschlechter zuordnen wollen, oder weil sie in ihrem gewählten Geschlecht als untypisch<br />

und <strong>von</strong> der jeweiligen Geschlechternorm abweichend auffallen. Die Abkoppelung<br />

<strong>von</strong> trans* (und auch intergeschlechtlichen) Menschen <strong>von</strong> der Kategorie des „Geschlechts“<br />

birgt zudem die Gefahr, dass das rechtliche „Merkmal“ „Geschlecht“ als enge Konzeption<br />

mit dem bipolaren Konstrukt „Mann“ – „Frau“ keinerlei Öffnung oder Ausweitung erfährt.<br />

Fast unweigerlich damit einher gehen festgelegte Rollenzuteilungen und Stereotypisierungen<br />

der Geschlechter, die auch vom BVerfG gerade hinsichtlich Art. 3 II GG, des Gleichberechtigungsgebots<br />

<strong>von</strong> Männern und Frauen, in seinen Entscheidungen <strong>im</strong>mer wieder<br />

kritisiert worden sind. 382 Auf europäischer Implementierungsebene sind nun erstmals<br />

Geschlechterstereotype und Geschlechtsidentitätsaspekte als Querschnittsaufgaben der<br />

neuen EU-Gleichstellungsstrategie 2010–2015 in den Blick gerückt. 383 Das BVerfG ist in<br />

seiner sog. fünften Transsexuellen-Entscheidung aus dem Jahr 2005 <strong>von</strong> dem zwingenden<br />

Erfordernis der operativen Geschlechtsanpassung <strong>von</strong> <strong>Trans*Personen</strong> abgerückt. Damit<br />

lässt es auch zu, dass sich die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht nicht mehr unbedingt am<br />

Körper manifestieren lässt. 384 „Eine Einteilung in zwei klar definierte Gruppen ‚Männer‘ und<br />

‚Frauen‘ wird dadurch zunehmend schwierig.“ 385 Auch aus biologischer Perspektive handelt es<br />

sich bei „Mann“ oder „Frau“ nicht um klar abgrenzbare Geschlechter, sondern vielmehr um<br />

ein Kontinuum, bestehend aus dem genetischen (Chromosomensatz), dem anatomischen<br />

(gonadisches Geschlecht) und dem hormonellen Geschlecht. 386 Daneben wird mit der<br />

Zuordnung <strong>von</strong> Trans*Menschen zu „sexueller Identität“ eine zusätzliche oder mehrd<strong>im</strong>ensionale<br />

(intersektionale) Diskr<strong>im</strong>inierung <strong>von</strong> <strong>Trans*Personen</strong> aufgrund ihrer sexuellen<br />

Orientierung, etwa wenn eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle (auch) als lesbische Frau benachteiligt<br />

wird, rechtlich unter demselben „Merkmal“, der „sexuellen Identität“, behandelt.<br />

Die zusätzliche Diskr<strong>im</strong>inierungsd<strong>im</strong>ension kann dadurch verloren gehen. 387<br />

Schließlich ist der Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz aufgrund des „Geschlechts“ über das AGG hinaus<br />

sehr viel weiter entwickelt als der Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz aufgrund der „sexuellen<br />

Identität“. Bei Anerkennung des „Merkmals“ „Geschlecht“ bei Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong>von</strong><br />

Trans*Menschen könnten diese sich auf weiter entwickelte Regelungen und Instrumentarien<br />

stützen. 388 Die rechtliche Zuordnung <strong>von</strong> Trans* Menschen zu „Geschlecht“ erscheint<br />

danach konzeptionell und inhaltlich am überzeugendsten.<br />

381 Queere, pansexuelle und andere Ausrichtungen können außerhalb zweigeschlechtlicher Zuordnungen liegen<br />

(vgl. King 2008).<br />

382 Vgl. BVerfGE 85, S. 191; aber auch schon 48, S. 327; 56, S. 363; 74, S. 163; 84, S. 9.<br />

383 Vgl. KOM(2010) 491 endgültig. Auf EU-Ebene verpflichten Art. 2 und Art. 3 II des Amsterdamer Vertrags<br />

und Art. 8 EUV die Mitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik. Auf bundesdeutscher Ebene<br />

verpflichtet § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) alle Ressorts der Bundesregierung,<br />

den Gender Mainstreaming-Ansatz bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden<br />

Maßnahmen der Bundesregierung zu berücksichtigen.<br />

384 Adamietz 2006, S. 370.<br />

385 Ebd., S. 380.<br />

386 Kocher 2009, S. 398.<br />

387 Anders hingegen bei einer lesbischen Frau, die aufgrund zweier „Merkmale“ (Geschlecht und sexuelle<br />

Identität) mehrd<strong>im</strong>ensional (intersektional) diskr<strong>im</strong>iniert werden kann. Siehe hierzu Koch-Rein 2006, S. 14;<br />

Tolmein 2008, S. 115 f.<br />

388 Vgl. auch Tolmein 2008, S. 116.<br />

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