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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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die dargestellten Entwicklungswege zum überwiegenden Teil Modelle der Defizitkompen-<br />

sation („depressiv-abhängig“, „schwer traumatisiert/Borderline“) und setzen die Erklärungs-<br />

bedürftigkeit einer „abweichenden“ Entwicklung voraus. 68 Demgegenüber thematisieren<br />

Güldenring (2009a) und Rauschfleisch (2009) soziale Geschlechternormen als wichtigen<br />

Faktor bei der Selbst- und Fremdwahrnehmung <strong>von</strong> <strong>Trans*Personen</strong> und problematisieren<br />

Projektionen nicht transgeschlechtlicher Therapeut_innen. 69<br />

Eine Bandbreite „individueller Lösungen“, etwa das Bedürfnis mancher <strong>Trans*Personen</strong><br />

nach Hormoneinnahme ohne operative Körperveränderungen, wird zwar inzwischen<br />

wahrgenommen (Becker 2009; Rauchfleisch 2009; Pichlo 2008). Jedoch finden Lebensentwürfe,<br />

die sich nicht als entweder männlich oder weiblich einordnen lassen, kaum Beachtung.<br />

Wenn zwischengeschlechtliche Identifikationen erwähnt werden, bleibt unklar, ob<br />

bzw. in welchem Fall entsprechende Körperveränderungen befürwortet werden. 70 Manche<br />

Autor_innen weisen explizit darauf hin, dass ein „beliebiger“ Zugang <strong>von</strong> Trans*Menschen<br />

zu Körperveränderungen verhindert werden müsse. 71<br />

Säfken (2008) führt die soziale Sanktionierung normabweichender Ausdrucksweisen <strong>von</strong><br />

Geschlecht als Grund dafür an, anderen als den Geschlechtern Mann und Frau die (medizinische<br />

und juristische) Anerkennung zu verweigern. 72 Es gebe keine Regeln des Zusammenlebens<br />

mit „Personen mit einer derart abweichenden Geschlechtsidentität“. 73 Ein<br />

solches Bestreben, Trans*Menschen „vor sich selbst zu bewahren“, wird u. a. in sozialwissenschaftlichen<br />

Beiträgen kritisiert. 74<br />

1.2.3 Sozialwissenschaftliche und Geschlechterforschung<br />

Zur sozialen und medizinischen Konstruktion Zwei-Geschlechter-Ordnung<br />

Sozialwissenschaftler_innen problematisieren die soziale Konstruiertheit der medizinischpsychologischen<br />

Konzepte „normaler“ und „gestörter“ geschlechtlicher Identität und<br />

deren Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Geschlechternormen. Ethnomethodolog_<br />

innen beschrieben schon in den 1960er- und 1970er-Jahren Basisannahmen der sozial<br />

konstruierten Zwei-Geschlechter-Ordnung moderner westlicher Gesellschaften (Garfinkel<br />

1967; Kessler/McKenna 1978). Hirschauer fasst diese wie folgt zusammen: Alle Menschen<br />

seien unverlierbar (Konstanzannahme) und aus körperlichen Gründen (Annahme der Natur-<br />

68 Vgl. ebd., S. 13.<br />

69 Deren eigene Empfindungen <strong>von</strong> Verwirrung und Angst könnten zu Erklärungsmodellen führen, die mehr<br />

der Selbstvergewisserung als der Unterstützung <strong>von</strong> trans* Klient_innen dienten; vgl. Güldenring 2009a, S. 26.<br />

70 Im aktuellen Entwurf für das künftige internationale Diagnosehandbuch DSM-V ist nicht mehr nur <strong>von</strong><br />

dem Verlangen, als „das andere Geschlecht“ zu leben bzw. gesehen zu werden, die Rede; das Verlangen<br />

könne sich auch auf „ein anderes Geschlecht als das zugewiesene“ richten („or some alternative gender<br />

different from one’s assigned gender“). Damit solle die Dichotomie „männlich/weiblich“ des Konzepts <strong>von</strong><br />

Geschlechtsidentität und -rolle pluralisiert werden: vgl. http://www.dsm5.org/ProposedRevisions/Pages/<br />

propose drevision.aspx?rid=482#, Anmerkung 16. Pichlo (2008) thematisiert „individuelle Lösungen“ als<br />

Therapieziele für transsexuelle Patient_innen, unter denen auch „das Leben <strong>im</strong> anderen Geschlecht oder<br />

zwischen den Geschlechtern <strong>im</strong> Rahmen einer ‚Teillösung‘ (z. B. gegengeschlechtliche Hormonbehandlung,<br />

aber [Teil-]Verzicht auf operative Angleichung)“ (ebd., S. 122) zu finden ist. Kriterien zur Indikation für diese<br />

medizinischen Behandlungen bei zwischengeschlechtlicher Identifikation finden sich jedoch nicht.<br />

71 Vgl. Becker 1998, S. 160; Becker 2009, S. 14.<br />

72 „Sonderfälle bilden Betroffene, die sich z. T. dem einen und zum Teil dem anderen Geschlecht, oder beiden<br />

Geschlechtern gleichzeitig oder überhaupt keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Die bipolare Geschlechterordnung<br />

ist <strong>von</strong> der großen Mehrheit der Gesellschaft derart massiv verinnerlicht, dass einer Anerkennung<br />

eines dritten Geschlechts große Bedenken entgegenstehen“ (Säfken 2008, S. 9).<br />

73 Ebd.<br />

74 Vgl. Lindemann 1997, S. 327; vgl. auch Hirschauer 1997.<br />

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