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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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chen <strong>im</strong> gewünschten Geschlecht leben soll, „<strong>insbesondere</strong> auch <strong>im</strong> Arbeitsumfeld“. 56 Dies<br />

erweist sich für viele Trans*Menschen als problematisch und als Anlass <strong>von</strong> Diskr<strong>im</strong>inie-<br />

rungen, wenn ihr soziales Umfeld das gewählte Geschlecht ohne Veränderung des Körpers<br />

nicht wahrn<strong>im</strong>mt oder nicht akzeptiert. Zum Teil wird daher der Beginn einer Hormonbehandlung,<br />

selten auch eine Operation, schon zu einem früheren Zeitpunkt ermöglicht.<br />

Erleichtert wurde diese Flexibilität in der Vergangenheit durch die Praxis, Hormonpräparate<br />

ohne den Weg über den Medizinischen Dienst zu verordnen.<br />

2009 erfolgte für den Zugang zu medizinischen Körperveränderungen eine Vereinheitlichung<br />

und Verschärfung für gesetzlich versicherte <strong>Trans*Personen</strong>: Seither gelten verbindliche<br />

Begutachtungsrichtlinien (MDS 2009), die vorsehen, dass jede medizinische Körperveränderung<br />

bei <strong>Trans*Personen</strong> vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft<br />

wird; dies war vorher optional der Zuständigkeit der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse<br />

überlassen. Die 1–1 ½-jährige Psychotherapie bzw. psychiatrische Behandlung nebst Alltagstest<br />

ist nunmehr Voraussetzung für die Kostenübernahme für jegliche medizinische Körperveränderung,<br />

d. h. verpflichtend für Hormonbehandlungen und auch schon für die<br />

Epilation <strong>von</strong> Gesichts- und Körperbehaarung. 57<br />

Dabei lehnen sich die deutschen Richtlinien an Konzepte an, die nicht mehr aktuellen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. 58 So flexibilisiert die aktuelle 6. Version<br />

der Standards of Care bereits seit 2001 die Voraussetzungen für Körperveränderungen<br />

aufgrund klinischer Beobachtungen, die die Verschiedenheit <strong>von</strong> trans* Prozessen und des<br />

Bedarfs an therapeutischer Behandlung bzw. Begleitung herausstellen (HBIGDA 2001). Vor<br />

einer Hormonbehandlung sind danach entweder drei Monate Alltagstest oder drei Monate<br />

Psychotherapie vorgesehen; für Psychotherapie ist nach SoC 6 der individuelle Bedarf<br />

festzustellen, sie stellt keine obligatorische Maßnahme dar.<br />

Darüber hinaus wurden Trans*Organisationen nicht in die Erstellung der MDS-Richtlinien<br />

einbezogen, was neueren Ansätzen partizipativer Medizin und Mitbest<strong>im</strong>mungsrechten<br />

<strong>von</strong> Patient_innen zuwiderläuft (vgl. SGB V § 140). 59<br />

56 Pichlo 2008, S. 124. Betont wird zwar, dass der Alltagstest „kein Härtetest“ sein, sondern Transsexuellen<br />

ermöglichen soll, Erfahrungen <strong>im</strong> gewählten Geschlecht zu sammeln, die der Entscheidungsfindung in<br />

Bezug auf Körperveränderungen dienen soll (vgl. Pichlo 2008, S. 125; MDS 2009, S. 10). Da diese Entscheidung<br />

jedoch abhängig vom ärztlichen Urteil ist, da der Test nicht auf freiwilliger Basis geschieht sowie meist zu<br />

einer Zeit, in der kein Passing <strong>im</strong> gewählten Geschlecht möglich ist und die betreffende Person sich <strong>im</strong>mer<br />

wieder erklären muss, etwa am Arbeitsplatz, empfinden viele Trans*Menschen den Alltagstest als Zwang<br />

und Belastung; vgl. dazu GLADT/TrIQ e. V.: „Transtraining“, http://www.gladt.de/archiv/kreuzberg/Transtraining.pdf,<br />

S. 9; Positionspapier <strong>von</strong> TransMann e. V. zum TSG (2003), http://www.transmann.de/standpunkte/pospaptsg.shtml.<br />

57 Mit dieser Vereinheitlichung verhindern die Richtlinien die individuelle Anpassung medizinischer Behandlungen<br />

an die große Bandbreite <strong>von</strong> Bedürfnissen und Lebenssituationen <strong>von</strong> Trans*Menschen, wie dies<br />

inzwischen viele Behandler_innen empfehlen (vgl. die aktuelle Version der internationalen Standards of<br />

Care: HBIGDA 2001, S. 3; vgl. auch Becker 2009; Szukaj/Senf 2009).<br />

58 Nach Becker (2009) verbirgt sich hinter der regelhaften Verordnung <strong>von</strong> Psychotherapie „z. T. noch die alte<br />

kontraproduktive Vorstellung, zuerst müsse mittels Psychotherapie ein ‚Umst<strong>im</strong>mungsversuch‘ unternommen<br />

werden, bei dessen Scheitern dann die Indikation zu somatischen Maßnahmen gegeben sei.“ (ebd.,<br />

S. 15) Vgl. auch Rauchfleisch 2009, S. 33.<br />

59 Den Autor_innen liegen Schreiben der ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der<br />

Patientinnen und Patienten sowie des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vor,<br />

aus denen hervorgeht, dass Trans*Organisationen trotz Intervention und Einforderung ihrer Konsultation<br />

in die Entwicklung der Richtlinien nicht einbezogen wurden (Kühn-Mengel 2006, 2007; Windeler 2007). Zu<br />

partizipativer Medizin vgl. Hahn 2009, S. 55; zu Patient_innenrechten vgl. Homepage des Beauftragten der<br />

Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, http://www.patientenbeauftragter.de/<br />

front_content.php?idcat=4&lang=1.<br />

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