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Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben

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zugdienst nur solche Anwärter geeignet seien, die durch ihre körperliche Konstitution<br />

jederzeit den vollen Einsatz bringen könnten. Polizeidiensttauglich waren nach einer den<br />

Begriff der Polizeidiensttauglichkeit konkretisierenden Verwaltungsvorschrift Anwärter,<br />

bei denen u. a. wenigstens ein Hoden hormonell funktionsfähig sein sollte. 373 In dem Verfahren<br />

ging es um die Frage, ob der Kläger als Anwärter über eine gleiche oder zumindest<br />

gleichwertige Hormonausstattung in diesem Sinne verfügte. Die operative Geschlechtsanpassung<br />

des Klägers lag zu diesem Zeitpunkt bereits über zwölf Jahre zurück, die fehlenden<br />

Hoden wurden durch eine Hormontherapie ersetzt. Da es 2005 infolge einer Umstellung<br />

der Hormontherapie zu Hormonschwankungen bei dem Kläger gekommen war, begründete<br />

die Beklagte die Polizeidienstuntauglichkeit und damit die Nichteinstellung des Klägers<br />

aus diesen gesundheitlichen Gründen. Das Gericht hielt die Ermessenserwägungen<br />

der Beklagten zwar nicht für zwingend, jedoch für nachvollziehbar. Insbesondere sei es<br />

„plausibel, aus dem Umstand, dass die medikamentöse Hormonversorgung des Klägers mehr als<br />

zehn Jahre nach ihrem Beginn nicht zu einem normgerechten Hormonhaushalt geführt hatte,<br />

zu schließen, dass der Kläger auch in Zukunft entsprechende gesundheit liche Probleme haben<br />

kann. Es ist ferner angemessen, anzunehmen, dass es auch in Zukunft – so wie offenkundig <strong>im</strong><br />

Jahre 2005 – die Notwendigkeit <strong>von</strong> Therapieumstellungen geben wird. Dies ergibt sich auch<br />

daraus, dass sich die körpereigene Hormonversorgung und damit gegebenenfalls auch der Bedarf<br />

an medikamentöser Hormonversorgung bei Männern und Frauen bekanntermaßen <strong>im</strong> Laufe des<br />

Alterungsprozesses verändern.“ 374 Das Gericht prüfte in seiner Entscheidung ausdrücklich, ob<br />

die die Polizeidiensttauglichkeit konkretisierende Verwaltungsvorschrift, die die Ablehnung<br />

des Klägers aus den gesundheitlichen Gründen begründete, als eine mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

transsexueller Männer i. S. d. §§ 1, 3 II AGG zu beurteilen sei. Dabei wendete es<br />

bei der Prüfung einer mittelbaren Diskr<strong>im</strong>inierung des Klägers nicht das „Merkmal“ „sexuelle<br />

Identität“ sondern „Geschlecht“ in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH an. 375<br />

Das Gericht ging da<strong>von</strong> aus, dass die Anforderungen einer körpereigenen Hormonversorgung<br />

für eine Polizeidiensttauglichkeit grundsätzlich geeignet sei, transsexuelle Männer<br />

gegenüber anderen Männern wie auch gegenüber Frauen mittelbar zu benachteiligen.<br />

Daneben prüfte das Gericht eine unmittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung des Klägers aufgrund einer<br />

Behinderung i. S. v. §§ 1, 3 I AGG, da der Kläger wegen der lebenslangen Angewiesenheit auf<br />

eine medikamentöse Hormonversorgung als behindert i. S. d. § 1 AGG, unabhängig <strong>von</strong> der<br />

Feststellung eines best<strong>im</strong>mten Grades der Behinderung, anzusehen sei. 376 Im Ergebnis<br />

verneinte das Gericht sowohl die mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund des „Geschlechts“<br />

als auch die unmittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund einer „Behinderung“. Es bestehe eine<br />

sachliche Rechtfertigung für die in der Verwaltungsvorschrift aufgestellten gesundheitlichen<br />

Anforderungen aufgrund eines rechtmäßigen Ziels i. S. d. § 3 II AGG hinsichtlich des<br />

„Geschlechts“ und § 8 I AGG hinsichtlich der „Behinderung“. „Dieses rechtmäßige Ziel besteht<br />

in der Sicherstellung eines funktionierenden Polizeivollzugsdienstes durch den Ausschluss<br />

373 „Ausgefüllt wird der Begriff der Polizeidiensttauglichkeit durch Ziff. 2.3.3 der PDV 300, wonach ein Bewerber<br />

u. a. dann als polizeidienstuntauglich zu bewerten ist, wenn ein oder mehrere Fehler festgestellt werden,<br />

die in der Anlage 1 zur PDV 300 unter einer Fehlernummer aufgeführt sind.“ ebd., Rn. 45. Gemäß<br />

Nr. 10.3 der Anlage 1 zur PDV 300 soll wenigstens ein Hoden hormonell funktionsfähig sein. Fehler Nr. 10.3.1<br />

der Anlage 1 zur PDV 300 beinhaltet „Bauch- oder Leistenhoden. Verlust oder diesem gleichzusetzender<br />

Schwund beider Hoden.“ Rn. 46.<br />

374 Ebd. Rn. 49.<br />

375 Ebd. Rn. 53. „Der EuGH rechnet die unterschiedliche Behandlung <strong>von</strong> Transsexuellen dem ‚Merkmal‘ des<br />

Geschlechts und nicht dem der sexuellen Orientierung zu, sodass sich für <strong>Benachteiligung</strong>en Transsexueller<br />

die gemeinschaftsrechtlichen Maßstäbe aus der RL 76/207/EWG bzw. der RL 2006/54/EG ergeben.“<br />

376 Ebd. Rn. 55.<br />

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