Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (KJL ... - hannahdenker.de
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Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendliteratur</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung<br />
Wild (2002: 54) vertritt die Ansicht, dass die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendliteratur</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung nur<br />
vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>ls <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Familie verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bürgerlichen Kleinfamilie bil<strong>de</strong>t sich eine spezifische Eltern-Kind-Figuration heraus, die<br />
durch die ökonomische Abgängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> (Ehe-)Frau erst möglich wur<strong>de</strong>. Entgegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Haltung von Cunningham (2006) sieht Wild (2002: 55) in dieser Phase eine Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
persönlichen, intimen <strong>und</strong> emotionaler Bindung inhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung eines bürgerlichen sozialen Habitus. Präsent wird das Bild eines auf Vernunft,<br />
Tugend, Sympathie <strong>und</strong> Zärtlichkeit gegrün<strong>de</strong>ten Mo<strong>de</strong>lls für ein soziales Miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
überhaupt. So kommt in <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeklärten Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendliteratur</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Darstellung eines<br />
(idyllisch überhöhten) Familienlebens, beispielsweise in einer Rahmenhandlung, erhöhte<br />
Be<strong>de</strong>utung zu. (Vgl. Wild 2002: 55f) Ein Beispiel bietet <strong><strong>de</strong>r</strong> auf kindliche Leser <strong>und</strong><br />
Leserinnen zugeschnittene Stoff „Robinson Crusoes“ (Defoe 2004), <strong><strong>de</strong>r</strong> von Campe (1779) in<br />
eine dialogisch-erzieherische Rahmenhandlung gebetet wird <strong>und</strong> explizit auf das Ziel<br />
zugeschnitten ist – neben einer unterhaltsamen Lektüre – „Kentnisse“ (ebd: 5) zu vermitteln.<br />
Zu<strong>de</strong>m lehnte Campe die „allzu empfindsame <strong>und</strong> empfin<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n“ (Campe 1779: 7) Bücher<br />
seiner Zeit ab. Er kann auch exemplarisch für die von Wild (2002: 57) dargestellte Haltung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeklärten Familien, dass die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> stets „>nützliche[n]< Beschäftigungen“ (Wild<br />
2002: 57) nachgehen sollten, herangezogen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzähler die Vaterfigur (!)<br />
sagen lässt: „So ganz müssig wer<strong>de</strong>t ihr doch wohl nicht da sizzen wollen?“ (Campe 1779:<br />
20). Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> seines Romans wer<strong>de</strong>n – typisch für die aufklärerische Epoche - an Arbeit<br />
<strong>und</strong> Tätigkeit gewöhnt, ohne dass sie an das früher übliche Erwerbsleben herangeführt<br />
wer<strong>de</strong>n. (Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>-)Literatur erhält dadurch eine Stellvertreterfunktion für die unmittelbaren<br />
Erfahrungen. (Vgl. Wild 2002: 57) Für die Epoche <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung gilt die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit nach<br />
wie vor als eine Vorbereitungsphase auf das Erwachsendasein, weshalb die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>figuren<br />
i.d.R.von Erwachsenenfiguren umgeben sind <strong>und</strong> die Konsequenzen von Tugend o<strong><strong>de</strong>r</strong> Laster<br />
das Thema <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzählungen bil<strong>de</strong>n. (Vgl. ebd.: 58) Exemplarisch kann dies an Salzmanns<br />
„Von <strong>de</strong>m großen Werthe eines guten Verstan<strong>de</strong>s“ (1783) gezeigt wer<strong>de</strong>n. Dort führen Fleiß<br />
<strong>und</strong> Verständigkeit zu (materiellem) Vorankommen <strong>de</strong>s ehemals armen Bauerssohns,<br />
wohingegen das Laster Faulheit <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>lskin<strong>de</strong>s ihn im Erwachsenenleben in <strong>de</strong>n Ruin<br />
treiben. Sowohl bei Campe (1779) als auch bei Salzmann (1783) wird <strong>de</strong>utlich, dass die<br />
aufgeklärte Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>literatur primär didaktische Funktion hatte, sie sollte sowohl nützlich sein,<br />
als auch das Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>herz erfreuen. Dabei wird auf Kindheit die utopische Hoffnung <strong>de</strong>s<br />
aufgeklärten, mündigen Erwachsenen projiziert (vgl. Wild 2002: 59). Die vorgestellten<br />
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