Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (KJL ... - hannahdenker.de

Insgesamt lassen sich Campes (1779) Modifikationen des Abenteuerromans von Defoe (2004)
als altersspezifische Akkomodation deuten.
Differente Intentionen bei Defoe und Campe (Vorrede)
Beide Romane beginnen mit einer Vorrede, unterscheiden sich hierbei aber zentral: Während
Defoes (2004) Intention darin zu liegen scheint, seiner Erzählung einen Anstrich von
Seriosität zu verleihen und sich als Herausgeber (Herausgeberfiktion) dieses
„Tatsachenberichts“ ausgibt, um damit ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen (vgl.
Kindler 1986: 5708), präsentiert Campe (1779: 5ff) in seinem Vorbericht seine didaktischen
Ziele in Form einer numerischen Auflistung. Auch Defoe (2004) beleuchtet durch den
fiktiven Herausgeber seine Intentionen. Er fühlt sich dem „christlichen Glauben“ (Defoe
2004: 10) verpflichtet und meint seinen vernunftbegabten Leser eine unterhaltsame,
exemplarische Lektion geben zu können. Defoe (2004) führt dem Leser ein religiöses, aber
vom Geist der Aufklärung beeinflusstes Weltverständnis vor Augen. So wie Campe (1779)
will auch er unterhalten und belehren. Campe (1779) möchte aber in seiner Rolle als Autor
darüber hinaus Kenntnisse über Dinge, Natur und gemeinschaftliches Zusammenleben
vermitteln und diese realen Dinge und Produkte der Welt bzw. die Erscheinungen der Natur
zum kindlichen Verständnishorizont in Bezug setzten. Zudem möchte er den
Selbsttätigkeitstrieb und das Imitationsvermögen der Kinder anregen und damit deren
natürliches Forschungsinteresse beleben. Die Weitergabe moralischer Werte (Frömmigkeit
und Gottesfurcht) ist für Campe (1779) zentral. Er glaubt, dem „Empfindlichkeitsfieber“
(Campe 1889: 6) der Kinder und der Literatur seiner Zeit entgegenwirken zu müssen. Hierin
zeigt sich die puritanische Wertvorstellung von einer sittsamen und gezügelten Kontrolle der
Affekte. Campe (1779) betont, dass sein Roman nicht zum Erwerb der Schriftsprachlichkeit
geeignet sei, sondern vielmehr der Wissens- und Wertevermittlung dient.
Erzählperspektive bei Defoe und Campe
Die Erzählperspektive ist in Defoes (2004) Roman komplex: in der Vorrede verwendet er eine
Form der Herausgeberfiktion. Der fiktive Herausgeber verweist darauf, dass er den Inhalten
der als Reportage dargestellten Geschichte Glauben schenkt. Es handelt sich um eine Figur
des Romans, die ebenso fiktiv ist wie die Romanfiguren selbst, eine Art impliziten Autor, der
von dem wahren Autor (Defoe) verschieden ist. Der eigentliche Plot wird in Ich-Form erzählt,
allerdings befindet sich der fiktive Ich-Erzähler bereits zeitlich gesehen am Ende seiner
(Lebens-)Reise und überblickt somit das gesamte Geschehen. Er kann Vorausdeutungen und
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