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Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (KJL ... - hannahdenker.de

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Pippi als wun<strong><strong>de</strong>r</strong>sames Menschenkind<br />

Das sommersprossige, fiktive Menschenkind Pippi wächst ohne Eltern auf: Ihre Mutter ist<br />

früh gestorben <strong>und</strong> ihr Vater ist Seefahrer, <strong><strong>de</strong>r</strong> bei einem Unwetter „ins Meer geweht wur<strong>de</strong>“<br />

(Lindgren 1967: 8). Das phantasievolle Kind geht davon aus, dass Ihr Vater Negerkönig auf<br />

einer Insel ist <strong>und</strong> sie als seine Prinzessin später einmal zu sich holen wird. Dieses Phantasma<br />

erweist sich im dritten Band in Teilen als Romanrealität. Ewers (1992: 132) sieht in dieser<br />

Figurenkonstruktion eine für kindliche Bedürfnisse befriedigen<strong>de</strong> Lösung <strong>de</strong>s<br />

Ödipuskomplexes. Markant ausgedrückt: Die Mutter ist beseitigt <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater wird<br />

symbolisch die Tochter zu seiner Prinzessin, seiner Braut, machen. Die Figur selbst drückt es<br />

weniger freudianisch aus: „Sie hatte keine Mutter <strong>und</strong> keinen Vater, <strong>und</strong> eigentlich war das<br />

sehr schön“ (Lindgren 1967: 8). Das gibt ihr die Möglichkeit, sich ihren Gelüsten hinzugeben,<br />

Bonbons zu esse, wann immer sie möchte, ins Bett zu gehen, wann sie es für richtig hält <strong>und</strong><br />

nach ihren eigenen Lebensmaximen, nach <strong>de</strong>m reinen Lustprinzip, zu leben (vgl. ebd.).<br />

„Pippi übertreibt fast alles, was sie macht; statt zu gehen, läuft sie rückwärts o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf<br />

<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, statt normal zu sprechen, schreit <strong>und</strong> kräht sie laut herum. Sie ist eine<br />

wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Beschwörung – seht her, es geht fantastisch ohne Eltern, scheint sie immerzu<br />

zu schreien (…)“ (Osberghaus 2007: 30).<br />

Steinz <strong>und</strong> Weinheim (2005: 102) <strong>de</strong>uten die Elternlosigkeit Pippis als Ironisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorstellung, dass eine glückliche Kindheit eine intakte Familie voraussetzt <strong>und</strong> dass sich das<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>buch über sentimentale <strong>Geschichte</strong>n mit elterlosen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>und</strong> verschw<strong>und</strong>enen Väter<br />

lustig macht (vgl. ebd.). „Hier lebt ein Kind ganz auf sich gestellt, ohne Eltern, ohne<br />

Autoritäten, <strong>und</strong> es kommt prima zurecht, mehr noch: Es ist das Super-Kind“ (Osberghaus<br />

2007: 29).<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat besitzt Pippi beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kräfte: sie ist so stark, dass sie „ein ganzes Pferd<br />

hochheben“ (Lindgren 1967: 11) o<strong><strong>de</strong>r</strong> einen Hai zurück ins Meer werfen kann (vgl. Lindgren<br />

1986: 118). Ewers (1992: 132) betrachtet Pippi als dialektisch konstruierte Figur, die<br />

vielschichtiger ist, als es eine reine Orientierung am Lustprinzip nahelegt (vgl. Ewers 1992:<br />

131): Er ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung, dass sich Pippis wun<strong><strong>de</strong>r</strong>same Stärke als metaphorische Umsetzung<br />

ihrer Ich-Stärke ausdrückt. Ganz im Sinne psychoanalytischer Terminologie sieht er in Pippis<br />

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