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Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (KJL ... - hannahdenker.de

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scheinbarer Stärke eine narzistische Ich-Grandiosität, die „noch ganz an die primären<br />

Liebesobjekte geb<strong>und</strong>en“ (ebd.: 132) ist. Nach Ewers (1992: 133) erweist sich die Titelheldin<br />

damit als tragisch-komische Figur, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine psychische Reifung im Sinne einer Überwindung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> narzisstischen Ich-Bezogenheit versagt bleibt. Er sieht in ihr sogar ein<br />

entwicklungsgehemmtes Kind. Einerseits kann sie damit Wunscherfüllungsphantasien von<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n erreichen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits führt <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzähler <strong>de</strong>n heranreifen<strong>de</strong>n Leser bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Leserin<br />

zu einer Distanzierung dieser Züge von Pippi, <strong>und</strong> zwar durch Humor <strong>und</strong> verschie<strong>de</strong>ne Arten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Komik (Situationskomik, Komik <strong>de</strong>s Exzentrischen). Exemplarisch lässt sich dies an<br />

Pippis Fressgier aufzeigen: So wird es einmal als die Verwirklichung <strong>de</strong>s kindlichen Glücks<br />

dargestellt, wenn Pippi Pfandkuchen backt (vgl. Lindgren 1967: 18) <strong>und</strong> ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Mal zur<br />

persönlichen Blamage beim Kaffekränzchen (vgl. Ewers 1992: 130). So wird auch <strong><strong>de</strong>r</strong> junge<br />

Leser bzw. die junge Leserin in die Lage versetzt Pippis „kleines Übermenschentum“ (Ewers<br />

1992: 130) <strong>und</strong> ihre verzerrte Realitätsverarbeitung auch als Auswüchse kindlicher Infantilität<br />

zu betrachten. Annika <strong>und</strong> Thomas in ihrer bürgerlichen Familienwelt können als<br />

Kontrastfiguren zu Pippi gelesen wer<strong>de</strong>n (vgl. Cromme 1996: 311), stellen aber kein<br />

durchgehend negativ gezeichnetes Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Welt dar. Zwar sind Annika <strong>und</strong><br />

Thomas gezwungen, zur Schule zu gehen (vgl. Lindgren 1986: 54), <strong>und</strong> müssen dort auch<br />

Ängste ausstehen (vgl. ebd.: 60), aber gleichzeitig wer<strong>de</strong>n auch die schönen Seiten <strong>de</strong>s<br />

Familienleben dargestellt (vgl. Lindgren 1986: 158) <strong>und</strong> Hypothesen von Annika darüber<br />

angestellt, ob Pippi nicht vielleicht auch einsam sein könnte. „Annika war ganz verzweifelt<br />

bei <strong>de</strong>m Gedanken, dass Pippi allein da [in die Villa Kunterbunt, Anmerk. d. Verfasserin]<br />

hineingehen sollte“ (ebd.).<br />

Demgegenüber kann Pippi aber auch als kindliches Vorbild verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Auf die Frage<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> braven, angepassten Annika, wer für sie die Lebensregeln bestimmt, macht Pippi <strong>de</strong>utlich,<br />

dass Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, Regeln selbstbestimmt <strong>und</strong> autonom festzulegen: „Erst sage ich<br />

es ganz fre<strong>und</strong>lich, <strong>und</strong> wenn ich nicht gehorche, dann sage ich es noch mal streng, <strong>und</strong> wenn<br />

ich dann immer noch nicht hören will, dann gibt es Haue“ (Lindgren 1967: 18). Dies kann als<br />

mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Selbsterziehung ganz im Sinne einer antiautoritären Erziehung verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Titelheldin eignet sich ihre Rechte ganz selbstverständlich an (vgl. Gottschalk<br />

2007: 50).<br />

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