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38 ManageMent_Personalauswahl<br />
HInWEIS PRAxISBEISPIEl<br />
Vorauswahl mit Vi<strong>de</strong>ointerviews<br />
Ein Instrument, um Fachabteilungen strukturiert in <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Personalauswahl einzubin<strong>de</strong>n, ist eine Software für zeitversetzte<br />
Vi<strong>de</strong>ointerviews. Erste Forschungsergebnisse belegen, dass sich Beobachterfehler dabei minimieren.<br />
Ein Beispiel für eine HR-Software, die hier zum Einsatz kommen<br />
kann, ist die Viasto Interview Suite. In <strong>de</strong>r Software wer<strong>de</strong>n kurze<br />
Interviewleitfä<strong>de</strong>n hinterlegt. Dies geschieht durch die Personalabteilung,<br />
wobei die Fachabteilung Fragen zur fachlichen Eignungsbeurteilung<br />
beisteuert. Ergänzend zu <strong>de</strong>n typischerweise vier bis<br />
fünf Interviewfragen wer<strong>de</strong>n relevante Bewertungskriterien durch<br />
Personal- und Fachabteilung festgelegt, anhand <strong>de</strong>rer später die<br />
Bewerberantworten evaluiert wer<strong>de</strong>n. Fragen und Bewertungskriterien<br />
bil<strong>de</strong>n zusammen strukturierte, beobachtungsbasierte Vi<strong>de</strong>o-<br />
Assessments. Die Bewerber führen diese am eigenen Computer<br />
durch. Die aufgezeichneten Interviews wer<strong>de</strong>n zeitlich unabhängig<br />
von Fach- und Personalabteilung anhand <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>finierten Bewertungskriterien<br />
in <strong>de</strong>r HR-Software evaluiert. Alle Einzel-Evaluationen<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Software zu einem Gesamtergebnis integriert, <strong>de</strong>r<br />
die Entscheidungsgrundlage für <strong>de</strong>n nächsten Auswahlschritt bil<strong>de</strong>t.<br />
Die strukturierte Einbindung mehrerer Evaluatoren sichert dabei die<br />
Einhaltung klarer Prozessstandards. Zusätzlich zu <strong>de</strong>n Interviews<br />
können kurze Sequenzen eingeblen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen die Fach-<br />
ben Personalern und externen Beratern<br />
nehmen an <strong>de</strong>n Übungen vor allem Führungskräfte<br />
als Beobachter teil, die zuvor<br />
auf ihre Rolle vorbereitet wur<strong>de</strong>n.<br />
„Wer kein Training durchlaufen hat, wird<br />
nicht als Beobachter eingesetzt“, stellt<br />
<strong>de</strong>r Personalchef klar. Führungskräftetrainer<br />
Stams begrüßt solche Ansätze.<br />
In seinen Seminaren bringt er Teilnehmer<br />
aus Fachabteilungen dazu, dass sie<br />
<strong>de</strong>n Dreischritt aus Beobachten, Beurteilen<br />
und Bewerten beherrschen. Nur so<br />
könnten sie einordnen, wie sich Kandidaten<br />
im Assessment-Center schlagen.<br />
„Ziel sollte sein, ein vali<strong>de</strong>s Urteil zu<br />
fällen statt persönliche Sichtweisen einzubringen,<br />
die von unkontrollierbaren<br />
Variablen geprägt sind.“ Dabei sei Diagnostik<br />
wichtiger als die Erfahrung<br />
<strong>de</strong>r Beteiligten, so Kanning. „Nur weil<br />
jemand seit zehn Jahren Führungskraft<br />
ist, kann er das Verhalten von Kandidaten<br />
nicht zutreffen<strong>de</strong>r bewerten.“<br />
Auch für strukturierte Einstellungsinterviews<br />
lohnt sich die Mühe, zunächst zu<br />
klären, wie ein Kandidat bewertet wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Bei Gerresheimer wer<strong>de</strong>n Bewerber<br />
durch geschickt gestellte Fragen dazu<br />
motiviert, aus <strong>de</strong>m Nähkästchen zu plau<strong>de</strong>rn.<br />
Laut Perlitz sei so zu be obachten,<br />
mit welcher Energie sich jemand einbringt<br />
und ob er seine Aufgaben mit Lei<strong>de</strong>nschaft<br />
anpackt. „So etwas kann man<br />
gut vorbereiten.“ Stams bringt Führungskräften<br />
bei, in multimodalen Interviews,<br />
die biografische und situative Fragen enthalten,<br />
so lange zu bohren, bis sie auf Öl<br />
o<strong>de</strong>r heiße Luft stoßen: „Verliert sich <strong>de</strong>r<br />
Kandidat in plakativen Aussagen o<strong>de</strong>r hat<br />
er tatsächlich Ergebnisse geliefert in seinen<br />
bisherigen Stationen?“<br />
Aufgabe ist nur gemeinsam lösbar<br />
Eine große Teilaufgabe von HR in <strong>de</strong>r<br />
Personalauswahl ist also die richtige<br />
Vorbereitung und Schulung <strong>de</strong>r Führungskräfte<br />
aus <strong>de</strong>n Fachabteilungen.<br />
Gleichzeitig sind sie meist im Prozess<br />
selbst vertreten, um <strong>de</strong>n Führungskräften<br />
später Feedback geben zu können.<br />
Bei Fragen wen<strong>de</strong>n sie sich bitte an kristina.en<strong>de</strong>rle@personalmagazin.<strong>de</strong><br />
abteilungen das Stellenangebot noch einmal umreißen können.<br />
Mit <strong>de</strong>n aufgezeichneten Vi<strong>de</strong>osequenzen lassen sich nachweislich<br />
Beobachterfehler minimieren, wie erste Forschungsergebnisse<br />
in einer Diplomarbeit an <strong>de</strong>r Westfälischen Wilhelms-Universität<br />
Münster belegen. Ein Resultat war, dass die Einschätzung <strong>de</strong>r<br />
Bewerbereignung mit einer sehr hohen Übereinstimmung erfolgte.<br />
Der Grund: Die meisten Beobachterfehler haben ihre Ursache in<br />
Aufmerksamkeits- und Gedächtniseffekten. Kurze Vi<strong>de</strong>osequenzen<br />
haben einen positiven Effekt auf die Informationsverarbeitung, da<br />
sie eine maximale Konzentration auf die Bewerberaussagen ermöglichen.<br />
Die erfor<strong>de</strong>rliche Gedächtnisleistung ist minimal, da je<strong>de</strong><br />
Antwortsequenz sofort bewertet wird. Die direkte Evaluation je<strong>de</strong>r<br />
Bewerberantwort anhand von klar <strong>de</strong>finierten Kriterien wird auch<br />
in einer Metaanalyse zur Qualität von Einstellungsinterviews von<br />
Professoren aus <strong>de</strong>n USA als qualitätssichernd herausgestellt.<br />
Von Sara Lin<strong>de</strong>mann, leiterin HR-Consulting bei Viasto<br />
So wer<strong>de</strong>n bei Gerresheimer Interviews<br />
nie ohne einen Personaler geführt. Ließen<br />
sich Führungskräfte im Gespräch<br />
zu Ungereimtheiten verleiten, erläutert<br />
Perlitz, stellten sie etwa ungeeignete<br />
Fragen, vertrö<strong>de</strong>lten Zeit für Unwichtiges<br />
o<strong>de</strong>r versprächen Bewerbern das<br />
Blaue vom Himmel, was sie tatsächlich<br />
niemals einlösen könnten, wür<strong>de</strong> dies<br />
nachher gezielt angesprochen.<br />
Experten zufolge müssen Personaler<br />
nicht unbedingt bei je<strong>de</strong>m Auswahlgespräch<br />
dabei sein. Vor allem in mittelständischen<br />
Unternehmen wäre dies<br />
auch kaum zu realisieren. Freilich hängt<br />
die Frage davon ab, in welchem Maße<br />
Führungskräfte <strong>de</strong>r Fachabteilungen<br />
sich in Auswahlgesprächen an objektiven<br />
Kriterienkatalogen orientieren<br />
können und entsprechend vorbereitet<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
WInFRIEd GERTz ist freier Journalist in<br />
München.<br />
personalmagazin 09 / 12