DIE ZEIT 39/2012 - ElectronicsAndBooks
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DOSSIER<br />
nicht in den Kopf ging, dass er abgewählt war.<br />
Ausgerechnet Angela Merkel sollte ihn ersetzen!<br />
Jemand, der keine Sprüche klopfen kann. Noch<br />
dazu: eine Frau.<br />
»Ich bin ja Instinktpolitiker, die werden nicht<br />
mehr gebraucht«, sagt er betont gleichgültig. Heute<br />
gewinnen Typen wie Olaf Scholz die Wahl.<br />
Olaf Scholz, der unter Schröder Generalsekretär<br />
war. Braver Mann, findet der Ex-Kanzler. Er könnte<br />
auch sagen: was für ein Langweiler. Stephan<br />
Weil, der Spitzenkandidat der niedersächsischen<br />
SPD, ist auch so einer. Es ist eine Ge ne ration<br />
von Politikern, die still die Arbeit erledigt,<br />
die zu tun ist. Doris Schröder-Köpf<br />
gehört auch dazu.<br />
Wäre sie Bundestagsabgeordnete und<br />
hätte über den Griechenland-Hilfsfonds zu<br />
entscheiden, sie wäre keine von denen, die<br />
die 726-seitige Vorlage vor der Abstimmung<br />
nicht gelesen haben. Wäre sie nicht<br />
seine Frau, würde Gerhard Schröder sagen:<br />
eine Langweilerin.<br />
Jetzt geht der Wahlkampf los. Doris<br />
Schröder-Köpfs Zwischenbilanz: In der<br />
Partei hat sie Freunde, und die Feinde respektieren<br />
sie. Sie hat einen guten Listenplatz,<br />
und für ihr Wahlkreisbüro hat sie<br />
eine »durchwurfhemmende Verglasung« in<br />
Auftrag gegeben. Gerd hat versprochen,<br />
dass jetzt mal ihre Termine vorgehen. Er<br />
gibt ihr Ratschläge, und sie schlägt sie aus.<br />
Für den Anfang läuft es nicht schlecht.<br />
Auf die Frage, wofür sie ihren Mann<br />
braucht, antwortet sie: »Für das konkrete<br />
praktische Leben.« Geburtstagsgeschenke für<br />
die Kinder kaufen, zum Elternabend gehen.<br />
»Er arbeitet sich da ein, es klappt schon ganz<br />
gut.« Sie redet ihren Mann auf Hannover-<br />
Format runter. Das ist der kleine Sieg in<br />
ihrem persönlichen Emanzipationskampf,<br />
ihrer »Befreiung aus dem Gattinnenkerker«,<br />
wie sie es nennt. Vielleicht kann man mehr<br />
in diesem Kampf zwischen so ungleichen<br />
Gegnern auch gar nicht erwarten.<br />
In China hat Gerhard Schröder, nachdem<br />
er ausgiebig ihre Geradlinigkeit gelobt<br />
hatte, gesagt: »Es gibt keine Konkurrenz<br />
zwischen uns, auch wenn sie das vielleicht<br />
anders sieht.« Danach hat er von der Kamera<br />
scheu seiner Frau erzählt. Er glaubt,<br />
dass sie nicht gern im Fernsehen ist, weil<br />
man im Fernsehen spontan reagieren muss.<br />
Er er innert sich an eine Livesendung, bei<br />
Erster Auftritt<br />
der Kandidatin<br />
Doris Schröder-<br />
Köpf in ihrem<br />
Wahlkreis: Sie<br />
sammelte Müll –<br />
eine wenig<br />
glamouröse<br />
Aufgabe<br />
der sie vor längerer Zeit zu Gast war. »Da<br />
hat sie sich vorbereitet bis zum Gehtnichtmehr,<br />
tagelang, und dann ...«, Kunstpause,<br />
»... dann kamen die erwarteten Fragen<br />
nicht!« Sie war fixiert auf das, was sie sich<br />
zurechtgelegt hatte. Sie war nicht locker.<br />
Eine Katastrophe. »Die Leute müssen doch<br />
unterhalten werden«, sagt Schröder, »selbst<br />
in ernsten politischen Sendungen. Wir<br />
müssen da mal ein Späßchen machen und<br />
dann wieder ernst werden.« Späßchen – so<br />
was kann sie nicht, noch weniger als Merkel.<br />
Und sie will es auch nicht.<br />
Diesmal sollen es bloß 90 Sekunden<br />
werden. Ein Videodreh. In der Kleinstadt<br />
Springe hält die SPD ihren Kandidatenkonvent<br />
ab. Ein Treffen der 87 Landtagsanwärter,<br />
bei dem auch Fotos für die Wahlplakate<br />
und You Tube-Clips gemacht werden.<br />
»Mein Name ist Doris Schröder-Köpf«,<br />
sagt sie im Studio, »ich bin 49 Jahre alt, ver-<br />
20. September <strong>2012</strong> <strong>DIE</strong> <strong>ZEIT</strong> N o <strong>39</strong> 15<br />
heiratet, habe drei Kinder mit 21, elf und<br />
sieben Jahren.« Bei »Ich lebe in Hannover-<br />
Waldhausen« verhaspelt sie sich zum ersten<br />
Mal. Die helle Stimme wird dünn, die Farbe<br />
weicht aus dem Gesicht. Noch mal. Und<br />
dann noch mal. Anderthalb Minuten.<br />
Name, Alter, Beruf, politische Schwerpunkte.<br />
Fünf Anläufe braucht sie. Es ist so<br />
einfach. Es ist so schwer. Aber irgendwann<br />
ist es gut. Ihr Mann kommt nicht vor, außer<br />
in dem Wort »verheiratet«.<br />
Irgendwo in Hannover kümmert sich<br />
zur selben Zeit Gerhard Schröder um die<br />
Kinder. Er weiß, wie man in Peking Vertreter<br />
der chinesischen Nomenklatura umgarnt<br />
und wie man es mit einer Weltmacht<br />
aufnimmt, aber er weiß nicht, wie er zu<br />
Hause reinkommen soll. Er hat den Hausschlüssel<br />
vergessen. Und so wartet Gerhard<br />
Schröder auf seine Frau, damit sie ihm eine<br />
Tür öffnet.<br />
Foto: Frank Wilde