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DIE ZEIT 39/2012 - ElectronicsAndBooks

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Illustration: P.M.Hoffmann für <strong>DIE</strong> <strong>ZEIT</strong>/www.pmhoffmann.de; Foto: Piper Ferguson/Corbis<br />

44 20. September <strong>2012</strong> <strong>DIE</strong> <strong>ZEIT</strong> N o <strong>39</strong><br />

Der Teufel regiert immer mit<br />

Ry Cooder, legendärer Songwriter und Gitarrist, spricht über die Abgründe der amerikanischen Politik<br />

Der Gitarrist, Sänger und Songwriter Ry Cooder<br />

gehört seit vier Jahrzehnten zu den wichtigsten<br />

amerikanischen Roots-Musikern. Er hat mit den<br />

Rolling Stones, Randy Newman und Captain<br />

Beefheart gespielt und die alten Herren des Buena<br />

Vista Social Club weltbekannt gemacht. Von<br />

ihm stammen Klassiker wie »Paradise and<br />

Lunch«, »Chicken Skin Music« oder »Bop Till You<br />

Drop«. Den kommerziellen Durchbruch brachten<br />

ihm Filmsoundtracks – insbesondere zu Wim<br />

Wenders’ Film »Paris, Texas«. Sein neues Album<br />

»Election Special« ist ein beißender Kommentar<br />

zur aktuellen amerikanischen Politik. In neun<br />

Blues- und Folk-Songs mischt Cooder sich in den<br />

Präsidentschaftswahlkampf ein.<br />

<strong>DIE</strong> <strong>ZEIT</strong>: Mr. Cooder, gefährden Sie nicht Ihren<br />

Ruf als Songwriter, wenn Sie sich mit Election<br />

Spe cial in die Untiefen des US-Wahlkampfs begeben?<br />

Ry Cooder: Ich tue das aus Notwehr. Die amerikanische<br />

Rechte ist sehr clever in ihrer Propaganda.<br />

Sie bringt die Wähler am Ende dazu, gegen ihre<br />

eigenen Interessen zu stimmen – insbesondere<br />

weiße Amerikaner, die um ihre Jobs und Häuser<br />

fürchten. Und Songs zu schreiben ist doch besser,<br />

als nur mit der Faust auf den Tisch zu hauen.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Sie sind wütend?<br />

Cooder: Und ob. Viele Amerikaner sind sehr<br />

wütend. Leider versteht sich die Tea Party nur allzu<br />

gut darauf, diesen Ärger für ihre Zwecke zu<br />

nutzen. Der rechte Flügel der Republikaner finanziert<br />

ein pausenloses Trommelfeuer im Internet,<br />

im Fernsehen, im Radio. Die Rechte kontrolliert<br />

einen Großteil dieser Medien. Sie nutzt<br />

sie, um ihre Lügen zu wiederholen, bis die Leute<br />

sie irgendwann glauben.<br />

<strong>ZEIT</strong>: In früheren Songs haben Sie sich regelmäßig<br />

mit der amerikanischen Geschichte befasst.<br />

Ist es schwieriger, über aktuelle Tagespolitik zu<br />

schreiben?<br />

Cooder: Ich habe bewusst die Form des Bluesund<br />

Folk-Songs gewählt. So knüpfe ich an eine<br />

amerikanische Tradition an, die bis Joe Hill und<br />

Woody Guthrie zurückreicht und heute von der<br />

Occupy-Bewegung aufgenommen wird. Warum<br />

nicht über Tagespolitik singen? Woody Guthrie<br />

hat so anschauliche Songs geschrieben, weil er die<br />

De pres sion selbst erlebt hat.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Sie nennen Woody Guthrie Ihr Vorbild.<br />

Ihre Songs unterscheiden sich dennoch vom feierlich-pathetischen<br />

Protest-Folk der sechziger Jahre.<br />

Cooder: Weil ich meine Songs nicht für die Front,<br />

für Demos oder Sit-ins geschrieben habe. Lieber<br />

erzähle ich Geschichten – so wie es Country-Musiker<br />

tun, nur dass meine story lines etwas über den<br />

Zustand unseres Landes und die Moral unserer<br />

Politiker aussagen. Nehmen Sie etwa den Mutt<br />

Romney Blues. Mutt wie Trottel. Das sage natürlich<br />

nicht ich, sondern ich lasse seinen Hund erzählen.<br />

Sie haben sicher die Geschichte gehört,<br />

wie Romney in den Urlaub fuhr und seinen<br />

Hund einfach für 1000 Meilen auf das Autodach<br />

geschnallt hat.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Deswegen gibt es ja schon eine »Mein<br />

Hund bellt gegen Romney«-Kampagne. Auf Ihrem<br />

Album überwiegen die düsteren, manchmal<br />

bitteren Töne: vom Gefängnis-Lamento namens<br />

Guan ta na mo bis zu Kool-Aid, wo Sie die Gehirnwäsche<br />

durch die Rechte anklagen. Steht es wirklich<br />

so schlecht um Ihr Land?<br />

Cooder: Es geht ein tiefer Riss durch Amerika.<br />

Und die rechte Propaganda hat ihn zu verantworten.<br />

Sie hetzen die Menschen so lange auf, bis<br />

ein selbst ernannter Wachmann namens George<br />

Zimmerman einen unbewaffneten schwarzen<br />

Ein Demokrat:<br />

Ry Cooder<br />

Teenager erschießen kann und die Polizei ihn<br />

laufen lässt.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Immerhin haben Ihre Landsleute vor vier<br />

Jahren den ersten schwarzen Präsidenten gewählt.<br />

Cooder: Präsident Obama macht seinen Job so<br />

gut wie möglich. Ich singe in Cold Cold Feeling<br />

über seine Einsamkeit im Oval Office. Am Ende<br />

aber steht er wie David gegen Goliath: Großindustrielle<br />

wie die Koch-Brüder können inzwischen<br />

ganz legal Millionen ausgeben, um den<br />

Äther mit ihren Lügen zu vergiften.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Auch diesen berüchtigten Financiers der Ultrarechten<br />

widmen Sie einen Song: Brother Is Gone.<br />

Cooder: Ich habe lange nach einem Weg gesucht,<br />

über die Brüder Charles und David Koch zu singen.<br />

Bis mir Robert Johnsons alte Blues-Fabel<br />

einfiel; er spricht von der Wegkreuzung, an der<br />

man den Teufel trifft. So erkläre ich die Macht<br />

der Koch-Brüder. Satan verspricht ihnen einen<br />

Pakt: Ihr könnt die totale Macht haben. Aber ich<br />

werde als meinen Preis einen von euch Brüdern<br />

zur Hölle mitnehmen, und nur ich weiß, wen<br />

und wann. So wacht Charley Koch eines Tages<br />

auf, und sein Bruder Davey ist verschwunden.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Wollen Sie mit Ihren Songs den Kampfgeist<br />

des linken, demokratischen Amerikas anstacheln?<br />

Cooder: Ein Präsident der Demokraten kann<br />

kaum etwas richtig machen. Weil die zwei Amtszeiten<br />

von George Bush das Präsidentenamt beschädigt<br />

haben. Was nützt es, auf dem Fahrersitz<br />

des Autos zu sitzen, wenn das Auto nicht mehr<br />

fährt? Obama hat ein kaputtes Fahrzeug von den<br />

Republikanern übernommen. Und natürlich hätte<br />

ich ihn lieber radikaler, er hat es viel zu lange<br />

vermieden, die unsozialen Pläne der Republikaner<br />

frontal anzugreifen.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Glauben Sie, dass Polit-Songs eine Rolle<br />

im Präsidentschaftswahlkampf spielen werden?<br />

Cooder: Ich überschätze die Rolle von Musik<br />

nicht. Songs geben dir nur Bilder, kleine Allegorien.<br />

Vor achtzig oder hundert Jahren waren Songs<br />

für viele Menschen noch die einzige Informationsquelle.<br />

Heute kauft kaum jemand noch Platten.<br />

<strong>ZEIT</strong>: Und doch hat der politische Song überlebt<br />

...<br />

Cooder: Dass die Occupy-Bewegung keine kommerziellen<br />

Absichten verfolgt, gibt mir große<br />

Hoffnung. Diese Menschen können vielleicht<br />

auch meine Lieder brauchen.<br />

<strong>ZEIT</strong>: So wie Ihren Song The 90 And The 9, auf<br />

dem Sie die 99 Prozent der nicht superreichen<br />

Amerikaner auffordern, für ihre Rechte zu<br />

kämpfen?<br />

Cooder: Würden die einfachen Menschen sich<br />

verbünden, hätten die rechten Republikaner keine<br />

Chance. Doch die Reichen spielen immer eine<br />

Gruppe gegen die andere aus: Speziell in Kalifornien<br />

werden die mexikanischen Wanderarbeiter<br />

vor jeder Wahl angeklagt, den Weißen ihre Jobs<br />

wegzunehmen. Nach der Wahl muss man sie dann<br />

wieder zurückholen – weil ja irgendjemand ihre<br />

Arbeit machen muss. Noch schlimmer ist der Versuch<br />

der Rechten, die Wahlrechte zu beschneiden.<br />

Sie wollen Menschen, die für Obama stimmen<br />

würden, von den Urnen fernhalten: Schwarze sollen<br />

nicht wählen. Arme sollen nicht wählen. Und<br />

die Leute vom Obersten Gerichtshof finden Wege,<br />

all die Gesetze, die Präsident Johnson während der<br />

Bürgerrechtsbewegung erließ, rückgängig zu machen.<br />

Das ist der gefährlichste Angriff auf unsere<br />

Bürgerrechte in der Geschichte unseres Landes.<br />

Das Gespräch führte JONATHAN FISCHER<br />

Madame Tattoo<br />

Ein Rückblick auf die hysterische Debatte um Bettina Wulff<br />

VON URSULA MÄRZ<br />

Ein paar Fragen sind in der Causa Bettina<br />

Wulff schon noch offen, Fragen,<br />

die über den Einzelfall hinaus durchaus<br />

interessant sind. Zum Beispiel die<br />

Frage, ob Bettina Wulffs Anspruch,<br />

Gerüchte über eine angebliche Rotlichtvergangenheit<br />

auf juristischem Weg auszuräumen, dadurch<br />

beeinträchtigt oder gar desavouiert ist, dass sie ihn<br />

mit der Veröffentlichung ihres Buches und dessen<br />

Vermarktung zeitlich, also strategisch verknüpfte.<br />

Hat Bettina Wulff, die sich den Medien sehr gern,<br />

sehr selbstbezogen und auf durchaus peinliche<br />

Weise hingibt, hierdurch ihr Recht verwirkt, sich<br />

gegen die Auslieferung ihres Namens an As so ziations<br />

be grif fe wie »Prostituierte« oder »Escort-Service«<br />

im Medium Internet zu wehren? Eindeutig:<br />

Nein. Sie hat das Recht, ohne Wenn und Aber. Ihr<br />

Anspruch, sich von unwahren Bordellgeschichten<br />

zu befreien, wird keinen Millimeter geschmälert<br />

durch die Show, die sie in den vergangenen zwei<br />

Wochen abzog. Auch wenn Bettina Wulff, wonach<br />

es aussieht, komplett den Überblick verloren hat,<br />

auch wenn sie uns bis Weihnachten mit Privata,<br />

Kochrezepten oder biografischen Erinnerungen<br />

bombardiert, auch wenn sie der Aufgabe, zwischen<br />

ihrer Ehrenrettung und ihren Selbstdarstellungsgelüsten<br />

zu unterscheiden, überhaupt nicht gewachsen<br />

ist: Die Öffentlichkeit hat die Aufgabe,<br />

hier zu unterscheiden und das eine vom anderen<br />

zu trennen.<br />

Die Klage gegen Google ist ein Muss,<br />

da sind alle Allüren egal<br />

Was Frau Wulff in ihrem wahrhaft unangenehmen<br />

Buch Jenseits des Protokolls, was sie von Interview zu<br />

Interview an Banalitäten und Plattitüden, von Foto<br />

zu Foto an Styling aufbietet, ist schon nervig. Was<br />

der Gattin eines ehemaligen deutschen Bundespräsidenten<br />

in verleumderischer Absicht angehängt<br />

wurde und im Internet immer noch anhängt, das<br />

allerdings ist nicht nervig. Es ist absolut untolerierbar.<br />

Nicht nur für die Gattin. Auch für uns. Man<br />

möchte es nicht hinnehmen, dass die Allüren einer<br />

jungen, etwas wichtigtuerischen Frau die Ablagerung<br />

von erlogenen Schmutzgeschichten um das höchste<br />

Amt im Staat rechtfertigen. Die Bild-Zeitung will<br />

durch eine Umfrage herausgebracht haben, dass bis<br />

zum Beginn des Spektakels vor zwei Wochen nur<br />

15 Prozent der Bundesdeutschen von den Rotlichtgerüchten<br />

wussten. Das sind 15 Prozent zu viel. Zu<br />

viel dafür, dass die Betroffene über ein Jahr lang der<br />

Repräsentation der Bundesrepublik diente. Wer sich<br />

ein paar Stunden damit beschäftigt, durch das Labyrinth<br />

der digitalen Sex- und Bordellseiten zu<br />

surfen, die sich bei Google aus der Eingabe des Vornamens<br />

»Bettina« ableiten, der empfindet Bettina<br />

Wulffs Ehetherapie-Outing als vergleichsweise unmonströs.<br />

Bettina Wulff hat gegen Google Klage<br />

erhoben. Der juristische Ausgang dürfte relevant<br />

genug sein, um die Klägerin künftig vorzugsweise<br />

in diesem Kontext wahrzunehmen – nicht im Kontext<br />

ihrer desaströsen PR-Offensive.<br />

Warum geriet sie überhaupt in dieses Desaster?<br />

Wie kann es sein, dass Bettina Wulff die Anfeindungen,<br />

die ihr nun geballt entgegenschlagen, noch<br />

nicht einmal als ferne Möglichkeit in Betracht zog?<br />

Wie kommt es, dass eine Frau, von deren intellektuellen<br />

Kapazitäten und deren Erfahrung als PR-<br />

Expertin zumindest die Effektberechnung ihres<br />

Auftretens zu erwarten ist, sich bei ihrer Schreiberei<br />

und Quasselei über den Gefühlsstress im Schloss<br />

Bellevue, über die Unbehaglichkeit der Bundespräsidentenvilla,<br />

über die Wahl des Kostüms gelegentlich<br />

des Rücktritts Christian Wulffs etc. pp. in völliger<br />

Sicherheit wähnte, all dies würde vom Publikum<br />

als bedeutsame und Sympathie stiftende<br />

Auskunft begrüßt? Diese Frage ist nicht leicht zu<br />

beantworten. Die Suche nach einer Antwort führt<br />

zu einer anderen Frage: Wo lebt Bettina Wulff eigentlich?<br />

Wie ist aus ihrer Sicht ein Land beschaf-<br />

FEUILLETON<br />

fen, das ihr Buch so einstimmig bejubelt wie ihre<br />

wechselnden Modelposen? Ja wie eigentlich?<br />

Es ist ein Land, in dem die Journalistin, die schon<br />

erfolgreich mit Veronica Ferres an einem Buch gearbeitet<br />

hat, genau die richtige Ghostwriterin für das<br />

Buch einer Politikergattin ist. Ein Land also, in dem<br />

das System Unterhaltungsprominenz als Referenzgröße<br />

für das System Politik dient. In diesem Land<br />

genügt die Aussage eines Looks als Aussage über das<br />

Rollenverständnis einer Bundespräsidentengattin<br />

und eine Tätowierung als politisches Thema. Das<br />

Drehbuch, welches dieses Land auf die Geschichte<br />

seines öffentlichen Personals anwendet, ist kein<br />

anderes als das des Medienstars. Und genau dies ist<br />

das Drehbuch, in dem Bettina Wulff sich befindet<br />

und das sie bis ins Detail hinein befolgt. Sie scheint<br />

tatsächlich zu glauben, dass sie alles richtig macht,<br />

wenn sie sich an die Erfolgsrezepte von Figuren hält,<br />

bei denen es darauf ankommt, möglichst ubiquitär<br />

sichtbar zu sein, möglichst viel privaten Episodenstoff<br />

zu liefern, möglichst umfangreich und reizstark<br />

abgebildet zu werden.<br />

Wenn sich Bettina Wulff in knallroter Bluse,<br />

knallrotem kurzem Rock, knallroten Stiefeln auf<br />

einer Treppe sitzend fotografieren lässt, dann demonstriert<br />

sie nicht nur ihren Attraktivitätsstolz. Sie<br />

demonstriert das elementare Missverständnis der<br />

Rolle, der sie ihre öffentliche Karriere verdankt. In<br />

dem Land, das Bettina Wulff wahrnimmt, ist der<br />

Vorteil, den Daniela Katzenberger gegenüber Annette<br />

Schavan insofern genießt, als sie das Medienprinzip<br />

schlichtweg professioneller beherrscht,<br />

durchaus von einer gewissen Bedeutung. Man würde<br />

sich kaum mehr wundern, wenn die Gattin des<br />

ehemaligen Bundespräsidenten demnächst einen<br />

Werbevertrag unterschriebe und im Fernsehen für<br />

Müller-Milch aufträte. Kurzum: Bettina Wulff hat<br />

sich verrannt, wie sich Stephanie zu Guttenberg, der<br />

sie augenscheinlich nacheifert, ebenso gnadenlos<br />

verrannt hätte, wenn das Schicksal sie nicht im<br />

letzten Moment über den Atlantik entführt hätte.<br />

Endlich Glamour im Politbetrieb,<br />

endlich auch bei uns ein wenig Bruni<br />

Was ist mit diesen Geschöpfen eigentlich los? Erfahrene,<br />

selbstbewusste, willensstarke Frauen aus<br />

einer Generation mit weiten Spiel- und Handlungsräumen,<br />

die sich, kaum haben sie die Sphäre<br />

der Politik betreten, in einer Art benehmen, als<br />

handele es sich dabei um die Location eines Fotoshootings.<br />

Nun ja, ein wenig übereitel sind sie<br />

schon, und sie wissen auch sehr um ihr optisches<br />

Po ten zial. Aber die Erfahrung, dass sie dank dieses<br />

Potenzials von der Öffentlichkeit empfangen wurden,<br />

als brächten sie ein Glas Wasser in die Wüste,<br />

um den vom Verstaubungstod bedrohten Politbetrieb<br />

zu retten, diese Erfahrung begleitete ihre<br />

ersten Schritte auf dem roten Teppich allerdings<br />

auch. Endlich!, schallte es ihnen entgegen, endlich<br />

weiblicher Glamour und Palastglanz in der Berliner<br />

Bürokratenhütte. Endlich ein klein wenig Michelle<br />

Obama, eine Spur Carla Bruni, endlich Garderobe<br />

von Designern, die Annette Schavan nicht einmal<br />

vom Namen her bekannt sein dürften.<br />

Man kann, was ihnen angeboten wurde, einen<br />

Deal nennen: Dafür, dass sie dem Drehbuch der<br />

Politik einen Look und Celebrity beisteuerten,<br />

durften sie eine Weile ignorieren, dass es sich bei<br />

dem Land, in dem sie leben, um eine repräsentative<br />

Demokratie handelt, deren Akteure Stellvertreter,<br />

nicht Selbstdarsteller sein sollen. Diesen Deal hat<br />

sich Bettina Wulff restlos zu eigen gemacht. Sie<br />

erschien zum großen Zapfenstreich mit neuer Frisur,<br />

sie erzählte, wie sie Herrn Wulff im Flugzeug<br />

kennenlernte, sie schrieb ein Buch mit einer Celebrity-Ghostwriterin.<br />

Sie spielte, was im Drehbuch<br />

eines Unterhaltungsstars so drinsteht. Und das war<br />

offensichtlich ein großer Fehler.<br />

A www.zeit.de/audio<br />

Individualität hat<br />

ihren Preis: Das<br />

Motiv von Bettina<br />

Wulffs Tätowierung

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