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DIE ZEIT 39/2012 - ElectronicsAndBooks

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niorenblau toupierten Haarhelm führt mir das komplette Nowitzki-<br />

Sortiment vor: Es gibt Nowitzki-Trikots, -Hosen, -Hemden, es gibt<br />

Stirnbänder, Rucksäcke, Pantoffeln und Schlafanzüge, Becher, Schlüsselbänder,<br />

Base caps, Wollmützen, Panamahüte. Es gibt Dirk-Nowitzki-<br />

Bierkrüge. Außer mir ist nur noch ein Kunde hier. Er trägt ein grünes<br />

Polohemd und fotografiert zwei verloren wirkende Trikots von Nowitzkis<br />

Mannschaftskamerad Yi Jianlian. Der Mann im grünen Polohemd<br />

ist Pari Dukovic, der Fotograf dieser Geschichte. Pari sieht aus, wie<br />

man sich einen Fotografen vorstellt, drei Kameras um den Hals, eine<br />

Tasche voller Filmrollen. »This Dirk-guy is famous, right?«, sagt er<br />

und macht ein paar Bilder von Dirk-Mülleimern. Pari ist kein Sportfotograf<br />

und kennt sich mit Basketball nicht aus. Aber er will nah ran.<br />

Meist fotografiere er Mode, Politiker, Burlesque-Künstler, sagt er, am<br />

meisten interessiere ihn aber, was hinter den Bühnen passiere. Die<br />

grobkörnigen Geschichten von leuchtenden Menschen. Mich auch,<br />

sage ich. Wir geben uns die Hand, wir arbeiten jetzt zu zweit.<br />

Auf Monitoren laufen die Highlights der Meistersaison. Dirk<br />

wirft und trifft. Die Mave ricks schalten zuerst Portland aus, dann das<br />

junge Team der Oklahoma City Thunder, dann die Los Angeles Lakers<br />

mit Über-Star Kobe Bryant und schließlich die Miami Heat. Dirk<br />

verschleißt seine Verteidiger reihenweise. Gegen kleine Gegenspieler<br />

wirft er, gegen große spielt er seine Beweglichkeit aus, er ist in allen<br />

Belangen überlegen. Er hält dem Druck stand, er wächst mit ihm.<br />

Nichts hilft gegen seine Dominanz. »Außerirdisch!« – »Ridirkulous!«<br />

Immer wieder sieht man seinen einbeinigen Sprungwurf im Rückwärtsfallen,<br />

den fl a m in go fa d e - a w a y, der von keinem Gegenspieler<br />

der Welt zu verteidigen ist. Nowitzki spielt mit Fieber und gerissener<br />

Sehne im Finger. Man sieht ihn mit dem Meisterpokal, man sieht ihn<br />

mit der Trophäe für den besten Spieler der Finalserie. Das war vor einem<br />

Jahr, erkläre ich Pari, der den Bildschirm fotografiert, jetzt sind<br />

wieder Play-offs, die Mavericks spielen mit einer anderen Mannschaft<br />

und haben die ersten beiden Spiele verloren. Ein Jahr verändert alles.<br />

16<br />

»Welcome to the church of Dirk«:<br />

Nowitzki hat Dallas verändert<br />

Die Parkplätze füllen sich, die Halle wird geöffnet, und als das<br />

Spiel beginnt, stehe ich mitten in einer unfasslichen Begeisterung für<br />

Dirk, Dirk, immer wieder Dirk, aber schon im ersten Viertel lässt das<br />

Spiel selbst die Luft aus der perfekten Inszenierung. Es läuft nicht<br />

rund, auch nicht bei Nowitzki. Ich bin zu müde, um die komplexe<br />

taktische Textur dieses Spiels zu begreifen, aber ich sehe, dass die<br />

Mave ricks verlieren. Dirk wird ausgewechselt. Die zweite Halbzeit verbringe<br />

ich in der Pressebox unter dem Hallendach und sehe das Spiel<br />

außer Reichweite geraten. Die Mave ricks und ich finden keinen Zugang<br />

zum Spiel. Ich höre das frenetische Tippen der amerikanischen<br />

Journalisten um mich herum, notiere Spielstände, und als ich wieder<br />

aufsehe, ist das Spiel vorbei und verloren, 79 : 95.<br />

Pari und ich sitzen im Presseraum und warten auf Dirk, der nach<br />

jedem wichtigen Spiel vor die Journalisten treten muss. Aus dem Interview<br />

werde heute leider nichts mehr, sagt mir die Pressesprecherin,<br />

nicht nach so einer Niederlage, aber ich hätte 25, vielleicht 30 Sekunden<br />

nach der Pressekonferenz, um mich vorzustellen. Nowitzki beantwortet<br />

sämtliche Fragen in sichtlich angestrengter Höflichkeit, und als<br />

er den Presseraum frustriert verlässt, renne ich hinterher und stelle ihm<br />

im Gang – ohne mich vorzustellen – eine Frage, die zu dämlich ist, um<br />

sie hier aufzuschreiben. Nowitzki sieht mich entgeistert an, sammelt<br />

sich aber sofort wieder und unterschreibt den Basketball eines kleinen<br />

Jungen. »Good night, buddy«, sagt er. Dann ist er verschwunden.<br />

Zwei Tage später stehen die Mave ricks mit dem Rücken zur<br />

Wand – wenn sie verlieren, sind sie raus. Am frühen Morgen laufe ich<br />

zur Arena. Dirks Gesicht an der Hallenfront sieht entschlossener aus<br />

als noch vor zwei Tagen, ausgeschlafener. Unser Treffen wurde mittlerweile<br />

fünf Mal verschoben. Dirk brauche seine Kon zen tra tion,<br />

wird uns gesagt. Stattdessen spreche ich mit Busfahrern, Ticketverkäufern<br />

und Betrunkenen (jeder hier nennt ihn Dirk, mit ö). Es ist<br />

immer dasselbe: Dirk ist unglaublich, Dirk ist nett, Dirk ist einer von<br />

uns. Das Securitypersonal grüßt auf Deutsch.

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