Nietzsche, Friedrich - Di...
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Viertes Buch.<br />
Sanctus Januarius.<br />
Der du mit dem Flammenspeere<br />
Meiner Seele Eis zertheilt,<br />
Dass sie brausend nun zum Meere<br />
Ihrer höchsten Hoffnung eilt:<br />
Heller stets und stets gesunder,<br />
Frei im liebevollsten Muss: −<br />
Also preist sie deine Wunder,<br />
Schönster Januarius!<br />
Genua im Januar 1882.<br />
276.<br />
Zum neuen Jahre. − Noch lebe ich, noch denke ich: ich muss noch leben, denn ich muss<br />
noch denken. Sum, ergo cogito: cogito, ergo sum. Heute erlaubt sich Jedermann seinen<br />
Wunsch und liebsten Gedanken auszusprechen: nun, so will auch ich sagen, was ich mir<br />
heute von mir selber wünschte und welcher Gedanke mir dieses Jahr zuerst über das Herz<br />
lief, − welcher Gedanke mir Grund, Bürgschaft und Süssigkeit alles weiteren Lebens sein<br />
soll! Ich will immer mehr lernen, das Nothwendige an den <strong>Di</strong>ngen als das Schöne sehen: −<br />
so werde ich Einer von Denen sein, welche die <strong>Di</strong>nge schön machen. Amor fati: das sei<br />
von nun an meine Liebe! Ich will keinen Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht<br />
anklagen, ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. Wegsehen sei meine einzige<br />
Verneinung! Und, Alles in Allem und Grossen: ich will irgendwann einmal nur noch ein<br />
Ja−sagender sein!<br />
277.<br />
<strong>Nietzsche</strong><br />
Persönliche Providenz. − Es giebt einen gewissen hohen Punct des Lebens: haben wir den<br />
erreicht, so sind wir mit all unserer Freiheit, und so sehr wir dem schönen Chaos des<br />
Daseins alle fürsorgende Vernunft und Güte abgestritten haben, noch einmal in der<br />
grössten Gefahr der geistigen Unfreiheit und haben unsere schwerste Probe abzulegen.<br />
Jetzt nämlich stellt sich erst der Gedanke an eine persönliche Providenz mit der<br />
eindringlichsten Gewalt vor uns hin und hat den besten Fürsprecher, den Augenschein, für<br />
sich, jetzt wo wir mit Händen greifen, dass uns alle, alle <strong>Di</strong>nge, die uns treffen,<br />
fortwährend zum Besten gereichen. Das Leben jedes Tages und jeder Stunde scheint<br />
Nichts mehr zu wollen, als immer nur diesen Satz neu beweisen; sei es was es sei, böses<br />
wie gutes Wetter, der Verlust eines Freundes, eine Krankheit, eine Verleumdung, das<br />
Ausbleiben eines Briefes, die Verstauchung eines Fusses, ein Blick in einen<br />
Viertes Buch. 114