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Nietzsche, Friedrich - Di...

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die französische Revolution hat dem "guten Menschen" das Scepter vollends und feierlich<br />

in die Hand gegeben (dem Schaf, dem Esel, der Gans und Allem, was unheilbar flach und<br />

Schreihals und reif für das Narrenhaus der "modernen Ideen" ist).<br />

351.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Zu Ehren der priesterlichen Naturen. − Ich denke, von dem, was das Volk unter Weisheit<br />

versteht (und wer ist heute nicht "Volk"? −), von jener klugen kuhmässigen Gemüthsstille,<br />

Frömmigkeit und Landpfarrer−Sanftmuth, welche auf der Wiese liegt und dem Leben ernst<br />

und wiederkäuend zuschaut, − davon haben gerade die Philosophen sich immer am<br />

fernsten gefühlt, wahrscheinlich weil sie dazu nicht "Volk" genug, nicht Landpfarrer genug<br />

waren. Auch werden wohl sie gerade am spätesten daran glauben lernen, dass das Volk<br />

Etwas von dem verstehn dürfte, was ihm am fernsten liegt, von der grossen Leidenschaft<br />

des Erkennenden, der beständig in der Gewitterwolke der höchsten Probleme und der<br />

schwersten Verantwortlichkeiten lebt, leben muss (also ganz und gar nicht zuschauend,<br />

ausserhalb, gleichgültig, sicher, objektiv... ). Das Volk verehrt eine ganz andere Art<br />

Mensch, wenn es seinerseits sich ein Ideal des "Weisen" macht, und hat tausendfach Recht<br />

dazu, gerade dieser Art Mensch mit den besten Worten und Ehren zu huldigen: das sind die<br />

milden, ernst−einfältigen und keuschen Priester−Naturen und was ihnen verwandt ist, −<br />

denen gilt das Lob in jener Volks−Ehrfurcht vor der Weisheit. Und wem hätte das Volk<br />

auch Grund, dankbarer sich zu erweisen als diesen Männern, die zu ihm gehören und aus<br />

ihm kommen, aber wie Geweihte, Ausgelesene, seinem Wohl Geopferte − sie selber<br />

glauben sich Gott geopfert −, vor denen es ungestraft sein Herz ausschütten, an die es seine<br />

Heimlichkeiten, seine Sorgen und Schlimmeres loswerden kann (− denn der Mensch, der<br />

"sich mittheilt", wird sich selber los; und wer "bekannt" hat, vergisst). Hier gebietet eine<br />

grosse Nothdurft: es bedarf nämlich auch für den seelischen Unrath der Abzugsgräben und<br />

der reinlichen reinigenden Gewässer drin, es bedarf rascher Ströme der Liebe und starker<br />

demüthiger reiner Herzen, die zu einem solchen <strong>Di</strong>enste der nicht−öffentlichen<br />

Gesundheitspflege sich bereit machen und opfern − denn es ist eine Opferung, ein Priester<br />

ist und bleibt ein Menschenopfer... Das Volk empfindet solche geopferte stillgewordne<br />

ernste Menschen des "Glaubens" als weise, das heisst als Wissend−Gewordene, als<br />

"Sichere" im Verhältniss zur eigenen Unsicherheit: wer würde ihm das Wort und diese<br />

Ehrfurcht nehmen mögen? − Aber, wie es umgekehrt billig ist, unter Philosophen gilt auch<br />

ein Priester immer noch als "Volk" und nicht als Wissender, vor Allem, weil sie selbst<br />

nicht an "Wissende" glauben und eben in diesem Glauben und Aberglauben schon "Volk"<br />

riechen. <strong>Di</strong>e Bescheidenheit war es, welche in Griechenland das Wort "Philosoph"<br />

erfunden hat und den prachtvollen Uebermuth, sich weise zu nennen, den Schauspielern<br />

des Geistes überliess, − die Bescheidenheit solcher Ungethüme von Stolz und<br />

Selbstherrlichkeit, wie Pythagoras, wie Plato<br />

351. 153

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