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Nietzsche, Friedrich - Di...

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284.<br />

Der Glaube an sich. − Wenige Menschen überhaupt haben den Glauben an sich: − und von<br />

diesen Wenigen bekommen ihn die Einen mit, als eine nützliche Blindheit oder theilweise<br />

Verfinsterung ihres Geistes − (was würden sie erblicken, wenn sie sich selber auf den<br />

Grund sehen könnten!), die Anderen müssen ihn sich erst erwerben: Alles, was sie Gutes,<br />

Tüchtiges, Grosses thun, ist zunächst ein Argument gegen den Skeptiker, der in ihnen<br />

haust: es gilt, diesen zu überzeugen oder zu überreden, und dazu bedarf es beinahe des<br />

Genie's. Es sind die grossen Selbst−Ungenügsamen.<br />

285.<br />

Excelsior. − "Du wirst niemals mehr beten, niemals mehr anbeten, niemals mehr im<br />

endlosen Vertrauen ausruhen − du versagst es dir, vor einer letzten Weisheit, letzten Güte,<br />

letzten Macht stehen zu bleiben und deine Gedanken abzuschirren − du hast keinen<br />

fortwährenden Wächter und Freund für deine sieben Einsamkeiten − du lebst ohne den<br />

Ausblick auf ein Gebirge, das Schnee auf dem Haupte und Gluthen in seinem Herzen trägt<br />

− es giebt für dich keinen Vergelter, keinen Verbesserer letzter Hand mehr − es giebt keine<br />

Vernunft in dem mehr, was geschieht, keine Liebe in dem, was dir geschehen wird −<br />

deinem Herzen steht keine Ruhestatt mehr offen, wo es nur zu finden und nicht mehr zu<br />

suchen hat, du wehrst dich gegen irgend einen letzten Frieden, du willst die ewige<br />

Wiederkunft von Krieg und Frieden: − Mensch der Entsagung, in Alledem willst du<br />

entsagen? Wer wird dir die Kraft dazu geben? Noch hatte Niemand diese Kraft!" − Es<br />

giebt einen See, der es sich eines Tages versagte, abzufliessen, und einen Damm dort<br />

aufwarf, wo er bisher abfloss: seitdem steigt dieser See immer höher. Vielleicht wird<br />

gerade jene Entsagung uns auch die Kraft verleihen, mit der die Entsagung selber ertragen<br />

werden kann; vielleicht wird der Mensch von da an immer höher steigen, wo er nicht mehr<br />

in einen Gott ausfliesst.<br />

286.<br />

Zwischenrede. − Hier sind Hoffnungen; was werdet ihr aber von ihnen sehen und hören,<br />

wenn ihr nicht in euren eigenen Seelen Glanz und Gluth und Morgenröthen erlebt habt?<br />

Ich kann nur erinnern − mehr kann ich nicht! Steine bewegen, Thiere zu Menschen machen<br />

− wollt ihr das von mir? Ach, wenn ihr noch Steine und Thiere seid, so sucht euch erst<br />

euren Orpheus!<br />

287.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Lust an der Blindheit. − "Meine Gedanken, sagte der Wanderer zu seinem Schatten, sollen<br />

mir anzeigen, wo ich stehe: aber sie sollen mir nicht verrathen, wohin ich gehe. Ich liebe<br />

die Unwissenheit um die Zukunft und will nicht an der Ungeduld und dem Vorwegkosten<br />

verheissener <strong>Di</strong>nge zu Grunde gehen."<br />

284. 118

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