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Nietzsche, Friedrich - Di...

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ausblasen, um nicht auszubrennen? −<br />

316.<br />

Prophetische Menschen. − Ihr habt kein Gefühl dafür, dass prophetische Menschen sehr<br />

leidende Menschen sind: ihr meint nur, es sei ihnen eine schöne "Gabe" gegeben, und<br />

möchtet diese wohl gern selber haben, − doch ich will mich durch ein Gleichniss<br />

ausdrücken. Wie viel mögen die Thiere durch die Luft− und Wolken−Electricität leiden!<br />

Wir sehen, dass einige Arten von ihnen ein prophetisches Vermögen hinsichtlich des<br />

Wetters haben, zum Beispiel die Affen (wie man selbst noch in Europa gut beobachten<br />

kann, und nicht nur in Menagerien, nämlich auf Gibraltar). Aber wir denken nicht daran,<br />

dass ihre Schmerzen − für sie die Propheten sind! Wenn eine starke positive Electricität<br />

plötzlich unter dem Einflusse einer heranziehenden, noch lange nicht sichtbaren Wolke in<br />

negative Electricität umschlägt und eine Veränderung des Wetters sich vorbereitet, da<br />

benehmen sich diese Thiere so, als ob ein Feind herannahe, und richten sich zur Abwehr<br />

oder zur Flucht ein; meistens verkriechen sie sich, − sie verstehen das schlechte Wetter<br />

nicht als Wetter, sondern als Feind, dessen Hand sie schon fühlen.<br />

317.<br />

Rückblick. − Wir werden uns des eigentlichen Pathos jeder Lebensperiode selten als eines<br />

solchen bewusst, so lange wir in ihr stehen, sondern meinen immer, es sei der einzig uns<br />

nunmehr mögliche und vernünftige Zustand und durchaus Ethos, nicht Pathos − mit den<br />

Griechen zu reden und zu trennen. Ein paar Töne von Musik riefen mir heute einen Winter<br />

und ein Haus und ein höchst einsiedlerisches Leben in's Gedächtniss zurück und zugleich<br />

das Gefühl, in dem ich damals lebte: − ich meinte ewig so fortleben zu können. Aber jetzt<br />

begreife ich, dass es ganz und gar Pathos und Leidenschaft war, ein <strong>Di</strong>ng, vergleichbar<br />

dieser schmerzhaft−muthigen und trost−sichern Musik, − dergleichen darf man nicht auf<br />

Jahre oder gar auf Ewigkeiten haben: man würde für diesen Planeten damit zu<br />

"überirdisch".<br />

318.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Weisheit im Schmerz. − Im Schmerz ist soviel Weisheit wie in der Lust: er gehört gleich<br />

dieser zu den arterhaltenden Kräften ersten Ranges. Wäre er diess nicht, so würde er längst<br />

zu Grunde gegangen sein; dass er weh thut, ist kein Argument gegen ihn, es ist sein Wesen.<br />

Ich höre im Schmerze den Commandoruf des Schiffscapitains: "zieht die Segel ein!" Auf<br />

tausend Arten die Segel zu stellen, muss der kühne Schifffahrer "Mensch" sich eingeübt<br />

haben, sonst wäre es gar zu schnell mit ihm vorbei, und der Ozean schlürfte ihn zu bald<br />

hinunter. Wir müssen auch mit verminderter Energie zu leben wissen: sobald der Schmerz<br />

sein Sicherheitssignal giebt, ist es an der Zeit, sie zu vermindern, − irgend eine grosse<br />

Gefahr, ein Sturm ist im Anzuge, und wir thun gut, uns so wenig als möglich<br />

aufzubauschen'". − Es ist wahr, dass es Menschen giebt, welche beim Herannahen des<br />

316. 131

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