Nietzsche, Friedrich - Di...
Nietzsche, Friedrich - Di...
Nietzsche, Friedrich - Di...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hier eingeschifft? Sitzt mein Glück selber an diesem stillen Platze, mein glücklicheres Ich,<br />
mein zweites verewigtes Selbst? Nicht todt sein und doch auch nicht mehr lebend? Als ein<br />
geisterhaftes, stilles, schauendes, gleitendes, schwebendes Mittelwesen? Dem Schiffe<br />
gleichend, welches mit seinen weissen Segeln wie ein ungeheurer Schmetterling über das<br />
dunkle Meer hinläuft! Ja! Ueber das Dasein hinlaufen! Das ist es! Das wäre es! − − Es<br />
scheint, der Lärm hier hat mich zum Phantasten gemacht? Aller grosse Lärm macht, dass<br />
wir das Glück in die Stille und Ferne setzen. Wenn ein Mann inmitten seines Lärmes steht,<br />
inmitten seiner Brandung von Würfen und Entwürfen: da sieht er auch wohl stille<br />
zauberhafte Wesen an sich vorübergleiten, nach deren Glück und Zurückgezogenheit er<br />
sich sehnt, − es sind die Frauen. Fast meint er, dort bei den Frauen wohne sein besseres<br />
Selbst: an diesen stillen Plätzen werde auch die lauteste Brandung zur Todtenstille und das<br />
Leben selber zum Traume über das Leben. Jedoch! Jedoch! Mein edler Schwärmer, es<br />
giebt auch auf dem schönsten Segelschiffe so viel Geräusch und Lärm und leider so viel<br />
kleinen erbärmlichen Lärm! Der Zauber und die mächtigste Wirkung der Frauen ist, um<br />
die Sprache der Philosophen zu reden, eine Wirkung in die Ferne, eine actio in distans:<br />
dazu gehört aber, zuerst und vor Allem − <strong>Di</strong>stanz<br />
61.<br />
Zu Ehren der Freundschaft. − Dass das Gefühl der Freundschaft dem Alterthum als das<br />
höchste Gefühl galt, höher selbst als der gerühmteste Stolz des Selbstgenügsamen und<br />
Weisen, ja gleichsam als dessen einzige und noch heiligere Geschwisterschaft: diess drückt<br />
sehr gut die Geschichte von jenem macedonischen Könige aus, der einem<br />
weltverachtenden Philosophen Athen's ein Talent zum Geschenk machte und es von ihm<br />
zurückerhielt. "Wie? sagte der König, hat er denn keinen Freund?" Damit wollte er sagen:<br />
"ich ehre diesen Stolz des Weisen und Unabhängigen, aber ich würde seine Menschlichkeit<br />
noch höher ehren, wenn der Freund in ihm den Sieg über seinen Stolz davongetragen hätte.<br />
Vor mir hat sich der Philosoph herabgesetzt, indem er zeigte, dass er eines der beiden<br />
höchsten Gefühle nicht kennt, − und zwar das höhere nicht!"<br />
62.<br />
Liebe. − <strong>Di</strong>e Liebe vergiebt dem Geliebten sogar die Begierde.<br />
63.<br />
<strong>Nietzsche</strong><br />
Das Weib in der Musik. − Wie kommt es, dass warme und regnerische Winde auch die<br />
musikalische Stimmung und die erfinderische Lust der Melodie mit sich führen? Sind es<br />
nicht die selben Winde, welche die Kirchen füllen und den Frauen verliebte Gedanken<br />
geben?<br />
61. 53