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Nietzsche, Friedrich - Di...

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131.<br />

Christenthum und Selbstmord. − Das Christenthum hat das zur Zeit seiner Entstehung<br />

ungeheure Verlangen nach dem Selbstmorde zu einem Hebel seiner Macht gemacht: es<br />

liess nur zwei Formen des Selbstmordes übrig, umkleidete sie mit der höchsten Würde und<br />

den höchsten Hoffnungen und verbot alle anderen auf eine furchtbare Weise. Aber das<br />

Martyrium und die langsame Selbstentleibung des Asketen waren erlaubt.<br />

132.<br />

Gegen das Christenthum. − Jetzt entscheidet unser Geschmack gegen das Christenthum,<br />

nicht mehr unsere Gründe.<br />

133.<br />

Grundsatz. − Eine unvermeidliche Hypothese, auf welche die Menschheit immer wieder<br />

verfallen muss, ist auf die Dauer doch mächtiger, als der bestgeglaubte Glaube an etwas<br />

Unwahres (gleich dem christlichen Glauben). Auf die Dauer: das heisst hier auf<br />

hunderttausend Jahre hin.<br />

134.<br />

<strong>Di</strong>e Pessimisten als Opfer. − Wo eine tiefe Unlust am Dasein überhand nimmt, kommen<br />

die Nachwirkungen eines grossen <strong>Di</strong>ätfehlers, dessen sich ein Volk lange schuldig gemacht<br />

hat, an's Licht. So ist die Verbreitung des Buddhismus (nicht seine Entstehung) zu einem<br />

guten Theile abhängig von der übermässigen und fast ausschliesslichen Reiskost der Inder<br />

und der dadurch bedingten allgemeinen Erschlaffung. Vielleicht ist die europäische<br />

Unzufriedenheit der neuen Zeit daraufhin anzusehen, dass unsere Vorwelt, das ganze<br />

Mittelalter, Dank den Einwirkungen der germanischen Neigungen auf Europa, dem Trunk<br />

ergeben war: Mittelalter, das heisst die Alkoholvergiftung Europa's. − <strong>Di</strong>e deutsche Unlust<br />

am Leben ist wesentlich Wintersiechthum, eingerechnet die Wirkungen der Kellerluft und<br />

des Ofengiftes in deutschen Wohnräumen.<br />

135.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Herkunft der Sünde. − Sünde, so wie sie jetzt überall empfunden wird, wo das<br />

Christenthum herrscht oder einmal geherrscht hat: Sünde ist ein jüdisches Gefühl und eine<br />

jüdische Erfindung, und in Hinsicht auf diesen Hintergrund aller christlichen Moralität war<br />

in der That das Christenthum darauf aus, die ganze Welt zu "verjüdeln". Bis zu welchem<br />

Grade ihm diess in Europa gelungen ist, das spürt man am feinsten an dem Grade von<br />

Fremdheit, den das griechische Alterthum − eine Welt ohne Sündengefühle − immer noch<br />

für unsere Empfindung hat, trotz allem guten Willen zur Annäherung und Einverleibung,<br />

an dem es ganze Geschlechter und viele ausgezeichnete Einzelne nicht haben fehlen lassen.<br />

131. 89

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