Nietzsche, Friedrich - Di...
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haben will, − nicht aber für dich Nierenprüfer, der du ein Wissen um das Gewissen hast!<br />
309.<br />
Aus der siebenten Einsamkeit. − Eines Tages warf der Wanderer eine Thür hinter sich zu,<br />
blieb stehen und weinte. Dann sagte er: "<strong>Di</strong>eser Hang und Drang zum Wahren, Wirklichen,<br />
Un−Scheinbaren, Gewissen! Wie bin ich ihm böse! Warum folgt mir gerade dieser düstere<br />
und leidenschaftliche Treiber! Ich möchte ausruhen, aber er lässt es nicht zu. Wie Vieles<br />
verführt mich nicht, zu verweilen! Es giebt überall Gärten Armidens für mich: und daher<br />
immer neue Losreissungen und neue Bitternisse des Herzens! Ich muss den Fuss weiter<br />
heben, diesen müden, verwundeten Fuss: und weil ich muss, so habe ich oft für das<br />
Schönste, das mich nicht halten konnte, einen grimmigen Rückblick, − weil es mich nicht<br />
halten konnte!"<br />
310.<br />
Wille und Welle. − Wie gierig kommt diese Welle heran, als ob es Etwas zu erreichen<br />
gälte! Wie kriecht sie mit furchterregender Hast in die innersten Winkel des felsigen<br />
Geklüftes hinein! Es scheint, sie will Jemandem zuvorkommen; es scheint, dass dort Etwas<br />
versteckt ist, das Werth, hohen Werth hat. − Und nun kommt sie zurück, etwas langsamer,<br />
immer noch ganz weiss vor Erregung, − ist sie enttäuscht? Hat sie gefunden, was sie<br />
suchte? Stellt sie sich enttäuscht? − Aber schon naht eine andere Welle, gieriger und wilder<br />
noch als die erste, und auch ihre Seele scheint voll von Geheimnissen und dem Gelüste der<br />
Schatzgräberei zu sein. So leben die Wellen, − so leben wir, die Wollenden! − mehr sage<br />
ich nicht. − So? Ihr misstraut mir? Ihr zürnt auf mich, ihr schönen Unthiere? Fürchtet ihr,<br />
dass ich euer Geheimniss ganz verrathe? Nun! Zürnt mir nur, hebt eure grünen<br />
gefährlichen Leiber so hoch ihr könnt, macht eine Mauer zwischen mir und der Sonne − so<br />
wie jetzt! Wahrlich, schon ist Nichts mehr von der Welt übrig, als grüne Dämmerung und<br />
grüne Blitze. Treibt es wie ihr wollt, ihr Uebermüthigen, brüllt vor Lust und Bosheit − oder<br />
taucht wieder hinunter, schüttet eure Smaragden hinab in die tiefste Tiefe, werft euer<br />
unendliches weisses Gezottel von Schaum und Gischt darüber weg − es ist mir Alles recht,<br />
denn Alles steht euch so gut, und ich bin euch für Alles so gut: wie werde ich euch<br />
verrathen! Denn − hört es wohl! − ich kenne euch und euer Geheimniss, ich kenne euer<br />
Geschlecht! Ihr und ich, wir sind ja aus Einem Geschlecht! − Ihr und ich, wir haben ja Ein<br />
Geheimniss!<br />
311.<br />
<strong>Nietzsche</strong><br />
Gebrochenes Licht. − Man ist nicht immer tapfer, und wenn man müde wird, dann jammert<br />
unser Einer auch wohl einmal in dieser Weise. "Es ist so schwer, den Menschen wehe zu<br />
thun − oh, dass es nöthig ist! Was nützt es uns, verborgen zu leben, wenn wir nicht Das für<br />
uns behalten wollen, was Aergerniss giebt? Wäre es nicht räthlicher, im Gewühle zu leben<br />
und an den Einzelnen gutzumachen, was an Allen gesündigt werden soll und muss?<br />
309. 129