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Nietzsche, Friedrich - Di...

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gegenseitig beschränken und in Zucht halten: − sie haben als Gifte gewirkt, zum Beispiel<br />

der anzweifelnde Trieb, der verneinende Trieb, der abwartende Trieb, der sammelnde<br />

Trieb, der auflösende Trieb. Viele Hekatomben von Menschen sind zum Opfer gebracht<br />

worden, ehe diese Triebe lernten, ihr Nebeneinander zu begreifen und sich mit einander als<br />

Functionen Einer organisirenden Gewalt in Einem Menschen zu fühlen! Und wie ferne<br />

sind wir noch davon, dass zum wissenschaftlichen Denken sich auch noch die<br />

künstlerischen Kräfte und die practische Weisheit des Lebens hinzufinden, dass ein<br />

höheres organisches System sich bildet, in Bezug auf welches der Gelehrte, der Arzt, der<br />

Künstler und der Gesetzgeber, so wie wir jetzt diese kennen, als dürftige Alterthümer<br />

erscheinen müssten!<br />

114.<br />

Umfang des Moralischen. − Wir construiren ein neues Bild, das wir sehen, sofort mit Hülfe<br />

aller alten Erfahrungen, die wir gemacht haben, je nach dem Grade unserer Redlichkeit und<br />

Gerechtigkeit. Es giebt gar keine anderen als moralische Erlebnisse, selbst nicht im<br />

Bereiche der Sinneswahrnehmung.<br />

115.<br />

<strong>Di</strong>e vier Irrthümer. − Der Mensch ist durch seine Irrthümer erzogen worden: er sah sich<br />

erstens immer nur unvollständig, zweitens legte er sich erdichtete Eigenschaften bei,<br />

drittens fühlte er sich in einer falschen Rangordnung zu Thier und Natur, viertens erfand er<br />

immer neue Gütertafeln und nahm sie eine Zeit lang als ewig und unbedingt, sodass bald<br />

dieser, bald jener menschliche Trieb und Zustand an der ersten Stelle stand und in Folge<br />

dieser Schätzung veredelt wurde. Rechnet man die Wirkung dieser vier Irrthümer weg, so<br />

hat man auch Humanität, Menschlichkeit und "Menschenwürde" hinweggerechnet.<br />

116.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Heerden−Instinct. − Wo wir eine Moral antreffen, da finden wir eine Abschätzung und<br />

Rangordnung der menschlichen Triebe und Handlungen. <strong>Di</strong>ese Schätzungen und<br />

Rangordnungen sind immer der Ausdruck der Bedürfnisse einer Gemeinde und Heerde:<br />

Das, was ihr am ersten frommt − und am zweiten und dritten −, das ist auch der oberste<br />

Maassstab für den Werth aller Einzelnen. Mit der Moral wird der Einzelne angeleitet,<br />

Function der Heerde zu sein und nur als Function sich Werth zuzuschreiben. Da die<br />

Bedingungen der Erhaltung einer Gemeinde sehr verschieden von denen einer anderen<br />

Gemeinde gewesen sind, so gab es sehr verschiedene Moralen; und in Hinsicht auf noch<br />

bevorstehende wesentliche Umgestaltungen der Heerden und Gemeinden, Staaten und<br />

Gesellschaften kann man prophezeien, dass es noch sehr abweichende Moralen geben<br />

wird. Moralität ist Heerden−Instinct im Einzelnen.<br />

114. 82

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