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Nietzsche, Friedrich - Di...

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gerade. (Nebenbei bemerkt: Europa ist gerade in Hinsicht auf Logisirung, auf reinlichere<br />

Kopf− Gewohnheiten den Juden nicht wenig Dank schuldig; voran die Deutschen, als eine<br />

beklagenswerth deraisonnable Rasse, der man auch heute immer noch zuerst "den Kopf zu<br />

waschen" hat. Ueberall, wo Juden zu Einfluss gekommen sind, haben sie ferner zu<br />

scheiden, schärfer zu folgern, heller und sauberer zu schreiben gelehrt: ihre Aufgabe war es<br />

immer, ein Volk "zur Raison" zu bringen.)<br />

349.<br />

Noch einmal die Herkunft der Gelehrten. − Sich selbst erhalten wollen ist der Ausdruck<br />

einer Nothlage, einer Einschränkung des eigentlichen Lebens−Grundtriebes, der auf<br />

Machterweiterung hinausgeht und in diesem Willen oft genug die Selbsterhaltung in Frage<br />

stellt und opfert. Man nehme es als symptomatisch, wenn einzelne Philosophen, wie zum<br />

Beispiel der schwindsüchtige Spinoza, gerade im sogenannten Selbsterhaltungs−Trieb das<br />

Entscheidende sahen, sehen mussten: − es waren eben Menschen in Nothlagen. Dass unsre<br />

modernen Naturwissenschaften sich dermaassen mit dem Spinozistischen Dogma<br />

verwickelt haben (zuletzt noch und am gröbsten im Darwinismus mit seiner unbegreiflich<br />

einseitigen Lehre vom "Kampf um's Dasein" −), das liegt wahrscheinlich an der Herkunft<br />

der meisten Naturforscher: sie gehören in dieser Hinsicht zum "Volk", ihre Vorfahren<br />

waren arme und geringe Leute, welche die Schwierigkeit, sich durchzubringen, allzusehr<br />

aus der Nähe kannten. Um den ganzen englischen Darwinismus herum haucht Etwas wie<br />

englische Uebervölkerungs−Stickluft, wie Kleiner−Leute−Geruch von Noth und Enge.<br />

Aber man sollte, als Naturforscher, aus seinem menschlichen Winkel herauskommen: und<br />

in der Natur herrscht nicht die Nothlage, sondern der Ueberfluss, die Verschwendung,<br />

sogar bis in's Unsinnige. Der Kampf um's Dasein ist nur eine Ausnahme, eine zeitweilige<br />

Restriktion des Lebenswillens; der grosse und kleine Kampf dreht sich allenthalben um's<br />

Uebergewicht, um Wachsthum und Ausbreitung, um Macht, gemäss dem Willen zur<br />

Macht, der eben der Wille des Lebens ist.<br />

350.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Zu Ehren der homines religiosi. − Der Kampf gegen die Kirche ist ganz gewiss unter<br />

Anderem − denn er bedeutet Vielerlei − auch der Kampf der gemeineren vergnügteren<br />

vertraulicheren oberflächlicheren Naturen gegen die Herrschaft der schwereren tieferen<br />

beschaulicheren, das heisst böseren und argwöhnischeren Menschen, welche mit einem<br />

langen Verdachte über den Werth des Daseins, auch über den eignen Werth brüteten: − der<br />

gemeine Instinkt des Volkes, seine Sinnen−Lustigkeit, sein "gutes Herz" empörte sich<br />

gegen sie. <strong>Di</strong>e ganze römische Kirche ruht auf einem südländischen Argwohne über die<br />

Natur des Menschen, der vom Norden aus immer falsch verstanden wird: in welchem<br />

Argwohne der europäische Süden die Erbschaft des tiefen Orients, des uralten<br />

geheimnissreichen Asien und seiner Contemplation gemacht hat. Schon der<br />

Protestantismus ist ein Volksaufstand zu Gunsten der Biederen, Treuherzigen,<br />

Oberflächlichen (der Norden war immer gutmüthiger und flacher als der Süden); aber erst<br />

349. 152

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