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Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...

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248 9 Konstruktionsgrammatik<br />

Diese Beschränkungen lassen die Sätze in (36a,b) zu und schließen (36c) aus:<br />

(36) a. Marry tossed me a drink.<br />

b. Marry happily tossed me a drink.<br />

c. * Marry tossed happily me a drink.<br />

Die Beschränkung agent.f before action.f erzwingt die Anordnung des Subjekts vor dem<br />

Verb, gestattet aber die Einfügung eines Adverbs zwischen Subjekt und Verb. Die anderen<br />

Beschränkungen für die Form legen die Abfolge von Verb und Objekten fest: Der Recipient<br />

grenzt direkt ans Verb und das Theme direkt an den Recipient. Die Beschränkung,<br />

dass der Agent im Aktiv vor dem Verb steht, ist aber nicht spezifisch für ditransitive Konstruktionen.<br />

Diese Beschränkung könnte man also z. B. wie folgt ausklammern:<br />

(37) Construction Active-Agent-Verb<br />

subcase of Pred-Expr<br />

constructional<br />

agent:Ref-Expr<br />

action:Verb<br />

form<br />

agent.f before action.f<br />

Die Active-Ditransitive-Konstruktion in (35) würde dann von (37) erben.<br />

Zusätzlich zu den in (31) verwendeten Beschreibungsmitteln gibt es noch den Evokes-<br />

Operator (Bergen und Chang: 2005, 151–152). Ein interessantes Beispiel ist eine Repräsentation<br />

des Begriffes Hypotenuse: Dieses Konzept lässt sich nur unter Einbeziehung des<br />

Begriffs rechtwinkliges Dreieck erklären (Langacker: 1987, Kapitel 5). Jerome Feldman<br />

(Folien) gibt folgende Formalisierung:<br />

(38) Schema hypotenuse<br />

subcase of line-segment<br />

evokes right-triangle as rt<br />

constraints<br />

self ↔ rt.long-side<br />

Das besagt, dass eine Hypotenuse eine bestimmte Gerade ist, nämlich genau die lange Seite<br />

eines rechtwinkligen Dreiecks. Das Konzept des rechtwinkligen Dreiecks wird mittels<br />

Evokes-Operator aktiviert. Evokes erzeugt eine Instanz eines Objekts von einem bestimmten<br />

Typ (im Beispiel die Instanz rt vom Typ right-triangle). Auf die Eigenschaften dieses<br />

Objekts kann man dann im Schema bzw. in der Konstruktion Bezug nehmen.<br />

Die Merkmalbeschreibung in (39) ist das Äquivalent in der Notation aus Kapitel 5,<br />

wobei hypotenuse ein Untertyp von line-segment ist:<br />

⎡<br />

⎢<br />

(39) 1 ⎣ EVOKES<br />

�� ��⎤<br />

LONG-SIDE 1<br />

right-triangle<br />

⎥<br />

⎦<br />

hypotenuse<br />

9.7 Zusammenfassung und Einordnung 249<br />

Der Wert von EVOKES ist eine Liste, da ein Schema bzw. eine Konstruktion mehr als ein<br />

Konzept evozieren kann. Das einzige Element dieser Liste ist in (39) ein Objekt vom Typ<br />

right-triangle. Der Wert des Merkmals LONG-SIDE ist mit der gesamten Struktur identifiziert.<br />

Das heißt so viel wie: Ich, die Hypotenuse, bin die lange Seite eines rechtwinkligen<br />

Dreiecks.<br />

9.7 Zusammenfassung und Einordnung<br />

Neben der Fluid Construction <strong>Grammar</strong> von Luc Steels (erscheint), die hier nicht ausführlich<br />

besprochen werden konnte, gibt es zur Zeit zwei formalisierte Varianten der Konstruktionsgrammatik:<br />

Die Sign-Based Construction <strong>Grammar</strong> und die Embodied Construction<br />

<strong>Grammar</strong>. Beide Varianten sind als notationelle Varianten der HPSG einzustufen (zu SB-<br />

CxG siehe explizit zu diesem Punkt Sag: 2007, 411 und Sag: 2010, 486), oder – wenn man<br />

das anders formulieren will – beide sind Schwestertheorien der HPSG.<br />

Aufgrund der Herkunft der beiden Theorien unterscheiden sich die Analysen in den beiden<br />

Ansätzen jedoch mitunter erheblich: Die HPSG ist eine stark lexikalisierte Theorie, in<br />

der erst in den letzten zehn Jahren unter dem Einfluss von Ivan Sag phrasale Dominanzschemata<br />

wieder stärker verwendet werden. In der CxG werden dagegen hauptsächlich<br />

phrasale Analysen vertreten, was auf den Einfluss von Adele Goldberg zurückzuführen<br />

ist. Wie schon in Kapitel 8 betont, sind das nur Tendenzen, die nicht für alle Wissenschaftler<br />

zutreffen, die in den entsprechenden Theorien arbeiten.<br />

Übungsaufgaben<br />

1. Finden Sie drei Beispiele für Äußerungen, deren Bedeutung sich nicht aus der Bedeutung<br />

der einzelnen Wörter ergibt. Überlegen Sie, wie man diese Beispiele in<br />

Kategorialgrammatik analysieren könnte.<br />

Literaturhinweise<br />

Es gibt zwei deutschsprachige Sammelbände zur Konstruktionsgrammatik: Fischer und<br />

Stefanowitsch: 2006 und Stefanowitsch und Fischer: 2008. Deppermann (2006) bespricht<br />

die Konstruktionsgrammatik aus Sicht der Gesprächsforschung. Die Ausgabe 37(3) der<br />

Zeitschrift für germanistische Linguistik aus dem Jahr 2009 ist ebenfalls der Konstruktionsgrammatik<br />

gewidmet. Goldberg: 2003a und Michaelis: 2006 sind englischsprachige<br />

Überblicksartikel. Goldbergs Bücher stellen wichtige Beiträge zur Konstruktionsgrammatik<br />

dar (1995; 2006; 2009). Goldberg (1995) argumentiert gegen lexikonbasierte Analysen,<br />

wie sie in GB, LFG, CG und HPSG üblich sind. Die Argumente lassen sich jedoch<br />

entkräften, wie im Abschnitt 11.11.8 gezeigt werden wird. Sag (1997), Borsley (2006),<br />

Jacobs (2008) und Müller und Lipenkova (2009) geben Beispiele für Konstruktionen,<br />

die man phrasal analysieren muss, wenn man leere Elemente vermeiden will. Jackendoff<br />

(2008) bespricht die Noun-Preposition-Noun-Konstruktion, die sich nur sinnvoll als phrasale<br />

Konstruktion analysieren lässt (siehe Abschnitt 11.11.9).<br />

Tomasellos Publikationen zum Spracherwerb (Tomasello: 2000; 2003; 2005; 2006c)<br />

stellen eine konstruktionsgrammatische Alternative zur Prinzipien & Parameter-Theorie

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