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Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...

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346 11 Diskussion<br />

cher, dass „giRAFFE“ zu „RAFFE“ reduziert wird, als dass aus „MONkey“ „MON“ wird.<br />

Gerken nimmt Folgendes für die metrische Struktur von Äußerungen an:<br />

1. Jeder metrische Fuß enthält genau eine starke Silbe.<br />

2. Es werden von links nach rechts maximale binäre Füße erzeugt.<br />

3. Die metrische Struktur ist unabhängig von der syntaktischen Struktur.<br />

Subjektpronomina sind im Englischen satzinitial und bilden mit dem folgenden stark betonten<br />

Verb einen jambischen Fuß wie in (108a). Objektpronomina können dagegen wie<br />

in (108b) die schwache Silbe eines trochaischen Fußes bilden.<br />

(108) a. she KISSED + the DOG<br />

b. the DOG + KISSED her<br />

c. PETE + KISSED the + DOG<br />

Außerdem werden Artikel in jambischen Füßen wie im Objekt in (108a) und im Subjekt<br />

in (108b) öfter weggelassen als in trochaischen Füßen wie im Objekt in (108c).<br />

Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass es mehrere Faktoren für das Auslassen von<br />

Elementen gibt und dass man das Verhalten der Kinder nicht als Evidenz für das Umschalten<br />

zwischen zwei Grammatiken werten kann.<br />

Der Pro-Drop-Parameter ist noch aus einem anderen Grund interessant: Es gibt ein Problem<br />

bei der Parameterfixierung. Die übliche Erklärung ist die, dass man davon ausgeht,<br />

dass Lerner feststellen, dass in allen englischen Sätzen ein Subjekt vorkommen muss, was<br />

sich insbesondere am Auftauchen von Expletivpronomina im Input äußert. Wie aber bereits<br />

auf Seite 342 diskutiert wurde, gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Pro-Drop-<br />

Eigenschaft und dem Vorhandensein von Expletivpronomen in einer Sprache. Da die Pro-<br />

Drop-Eigenschaft auch mit keiner anderen der behaupteten Eigenschaften korreliert ist,<br />

kann einzig die Existenz subjektloser Sätze im Input ausschlaggebend für die Setzung des<br />

Parameters sein. Das Problem ist nun, dass es durchaus grammatische Äußerungen gibt,<br />

in denen kein Subjekt zu sehen ist. Beispiele sind Imperative wie die in (109) und sogar<br />

auch Äußerungen ohne Expletivum, wie der Beleg in (110b), den Valian (1991, 32) in der<br />

New York Times gefunden hat.<br />

(109) a. Give me the teddy bear.<br />

b. Show me your toy.<br />

(110) a. She’ll be a big hit. Sings like a dream.<br />

b. Seems like she always has something twin-related perking.<br />

Aus demselben Jahr wie Valians Artikel stammt der Titel eines Nirvana-Songs:<br />

(111) Smells like Teen Spirit.<br />

riecht wie Teen Spirit<br />

‘Riecht wie Teen Spirit.<br />

Teen Spirit ist ein Deodorant. riechen ist sowohl im Deutschen als auch im Englischen ein<br />

Verb, das mit referentiellem Subjekt, aber auch mit expletivem es als Subjekt verwendet<br />

11.4 Spracherwerb 347<br />

werden kann. Welche Verwendung Curt Cobain im Sinn hatte, lässt sich nicht rekonstruieren<br />

57 , unabhängig von der intendierten Bedeutung fehlt in (111) jedoch das Subjekt.<br />

Imperative kommen in jedem Fall im Input von Kindern vor und sind also auch für den<br />

Spracherwerb relevant. Valian (1991, 33) schreibt dazu:<br />

What is acceptable in the adult community forms part of the child’s input, and is also<br />

part of what children must master. The utterances that I have termed “acceptable”<br />

are not grammatical in English (since English does not have pro subjects, and also<br />

cannot be characterized as a simple VP). They lack subjects and therefore violate the<br />

extended projection principle (Chomsky: 1981a), which we are assuming.<br />

Children are exposed to fully grammatical utterances without subjects, in the form<br />

of imperatives. They are also exposed to acceptable utterances which are not fully<br />

grammatical, such as [(111a)], as well as forms like, “Want lunch now?” The<br />

American child must grow into an adult who not only knows that overt subjects are<br />

grammatically required, but also knows when subjects can acceptably be omitted.<br />

The child must not only acquire the correct grammar, but also master the discourse<br />

conditions that allow relaxation of the grammar. (Valian: 1991, 33)<br />

Diese Passage stellt die Verhältnisse auf den Kopf: Wir können nicht daraus schließen,<br />

dass eine bestimmte <strong>Grammatiktheorie</strong> mit bestimmten Daten nicht kompatibel ist, dass<br />

die Daten nicht von der <strong>Grammatiktheorie</strong> beschrieben werden sollten, vielmehr müssen<br />

wir eine <strong>Grammatiktheorie</strong>, die mit den Daten nicht kompatibel ist, modifizieren oder –<br />

wenn das nicht möglich ist – verwerfen. Da Äußerungen mit Imperativen völlig regelmäßig<br />

sind, gibt es keinen Grund, sie als Äußerungen zu kategorisieren, die nicht den<br />

grammatischen Regeln folgen. Das obige Zitat schildert eine Situation, in der ein Lerner<br />

zwei Grammatiken erwerben muss: eine, die der angeborenen entspricht, und eine zweite,<br />

die die Regeln der angeborenen Grammatik zum Teil außer Kraft setzt und außerdem noch<br />

eigene Regeln hinzufügt. Die Frage, die man hier stellen muss, ist: Wie unterscheidet das<br />

Kind, für welche dieser beiden Grammatiken die Daten, die es hört, relevant sind?<br />

Fodor (1998a, 347) verfolgt einen anderen Ansatz, der viele der oben genannten Probleme<br />

nicht hat. Statt anzunehmen, dass Lerner versuchen, unter einer Billion Grammatiken,<br />

die richtige zu finden, geht sie davon aus, dass mit einer einzigen Grammatik gearbeitet<br />

wird, die alle Möglichkeiten enthält. Sie schlägt vor, anstelle von Parametern Baumteile<br />

(treelets) zu verwenden. Die Baumteile können auch unterspezifiziert sein, im Extremfall<br />

kann das treelet aus einem einzigen Merkmal bestehen (Fodor: 1998b, 6). Aus der Verwendung<br />

eines bestimmten Baumteils in der Analyse einer Äußerung kann ein Sprachlerner<br />

dann schließen, dass eine Sprache eine bestimmte Eigenschaft hat. Als Beispiel<br />

gibt sie einen VP-Teilbaum, der aus einem Verb und einer Präpositionalphrase besteht.<br />

Für die Analyse der VP, die in Look at the frog vorkommt, muss dieser Teilbaum verwendet<br />

werden. Genauso würde die Analyse eines Fragesatzes mit vorangestelltem who<br />

einen Teilbaum verwenden, der eine wh-Nominalphrase in der Spezifikatorposition einer<br />

Komplementiererphrase enthalten würde (siehe Abbildung 3.7 auf S. 73). Dieser Teilbaum<br />

wäre in Fodors Variante der Prinzipien und Parameter-Theorie der Parameter, der wh-Bewegung<br />

in der (sichtbaren) Syntax lizenziert. Fodor nimmt an, dass es Defaults gibt, die<br />

dem Lerner das Parsen ermöglichen, auch wenn noch keine oder sehr wenige Parame-<br />

57 Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Smells_Like_Teen_Spirit. 18.04.2010.

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