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Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...

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278 11 Diskussion<br />

(1) a. be showing pictures of himself<br />

ist zeigend Bilder von sich<br />

b. zibon -no syasin-o mise-te iru<br />

sich von Bild zeigend sein<br />

Das no steht nach dem Pronomen in der Präpositionalphrase, das Nomen syasin-o (‘Bild’)<br />

steht nach der zugehörigen PP, das Hauptverb nach seinem Objekt und das Hilfsverb iru<br />

nach dem Hauptverb mise-te.<br />

Für die Widerlegung einer Allaussage genügt jedoch schon ein Gegenbeispiel, und in<br />

der Tat lässt sich eine Sprache finden, die Verbletztstellung hat aber dennoch über Präpositionen<br />

verfügt. Persisch ist solch eine Sprache. (2) zeigt ein Beispiel:<br />

(2) man ketâb-â-ro be Sepide dâd-am.<br />

ich Buch-PL-râ zu Sepide gab-1.SG<br />

‘Ich gab Sepide das Buch.’<br />

Im Abschnitt 3.1.7 wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch das Deutsche sich nicht<br />

einfach mit einem solchen Parameter erfassen lässt: Das Deutsche gilt als Verbletztsprache,<br />

aber es gibt sowohl Prä- als auch Postpositionen.<br />

Will man die Rektionsrichtung an syntaktischen Kategorien festmachen (Chomsky:<br />

2005, 15), muss man zwangsläufig annehmen, dass die entsprechenden syntaktischen Kategorien<br />

zum universalgrammatischen Inventar gehören (siehe hierzu Abschnitt 11.1.1.7).<br />

Auch kommt man bei einer solchen Annahme mit Prä- und Postpositionen in Schwierigkeiten,<br />

denn für diese wird normalerweise dieselbe Kategorienbezeichnung (P) verwendet.<br />

Führt man spezielle Kategorien für Prä- und Postpositionen ein, lässt sich die vierelementige<br />

Zerlegung der Wortarten, die auf S. 68 vorgestellt wurde, nicht mehr verwenden. Man<br />

würde ein binäres Merkmal dazunehmen müssen und damit automatisch acht Kategorien<br />

bekommen, obwohl man nur fünf (die vier bisher benutzten und eine zusätzliche) benötigt.<br />

Man kann feststellen, dass der Zusammenhang zwischen den Rektionsrichtungen, den<br />

Pinker als Allaussage formuliert hat, in der Tendenz richtig ist, d. h., es gibt viele Sprachen,<br />

in denen die Verwendung von Prä- bzw. Postpositionen mit der Verbstellung korreliert. 4<br />

Adpositionen haben sich in vielen Sprachen aus Verben entwickelt. In der Chinesischen<br />

Grammatik spricht man z. B. bei einer bestimmten Klasse von Wörtern von Koverben.<br />

Das sind Wörter, die sowohl als Verb als auch als Präposition benutzt werden können.<br />

Betrachtet man Sprachen historisch, so lassen sich auch Erklärungen für solche Tendenzen<br />

finden, die nicht auf angeborenes sprachspezifisches Wissen zurückgreifen müssen (siehe<br />

auch Evans und Levinson: 2009a, 445).<br />

11.1.1.2 X-Strukturen<br />

Es wird oft angenommen, dass alle Sprachen syntaktische Strukturen haben, die dem X-<br />

Schema (siehe Abschnitt 2.5) entsprechen (Pinker: 1994, 238; Meisel: 1995, 11, 14; Pinker<br />

4 Pinker (1994, 234) benutzt in seiner Formulierung das Wort usually. Damit legt er nahe, dass es Ausnahmen<br />

gibt, d. h., dass es sich um eine Tendenz aber nicht um eine allgemein gültige Regel handelt. Auf den<br />

folgenden Seiten argumentiert er dennoch dafür, dass der Kopfstellungsparameter zum angeborenen sprachspezifischen<br />

Wissen gehört. Travis (1984, 55) diskutiert Daten aus dem Mandarin Chinesischen, die den von<br />

ihr behaupteten Zusammenhängen nicht entsprechen. Sie schlägt deshalb vor, den Kopfstellungsparameter<br />

als einen Default-Parameter zu behandeln, der von anderen Beschränkungen in der Grammatik überschrieben<br />

werden kann.<br />

11.1 Angeborenheit sprachspezifischen Wissens 279<br />

und Jackendoff: 2005, 216). Es gibt jedoch Sprachen wie Dyirbal (Australien), für die es<br />

nicht sinnvoll erscheint, hierarchische Strukturen für Sätze anzunehmen. So nimmt Bresnan<br />

(2001, 110) für Tagalog, Ungarisch, Malayalam, Walpiri, Jiwarli, Wambaya, Jakaltek<br />

und entsprechende Sprachen keine VP-Knoten an, sondern eine Regel der Form in (3):<br />

(3) S → C ∗<br />

Dabei ist C ∗ eine beliebige Folge von Konstituenten, und es gibt in der Struktur keinen<br />

Kopf. Andere Beispiele für Strukturen ohne Kopf sind Gegenstand von Abschnitt 11.11.9.<br />

X-Strukturen wurden eingeführt, um die Form prinzipiell möglicher Regeln einzugrenzen.<br />

Die Annahme war, dass solche Restriktionen die Klasse der formulierbaren Grammatiken<br />

einschränkt, wodurch dann – so die Annahme – die Grammatiken leichter erwerbbar<br />

sind. Wie Kornai und Pullum (1990) gezeigt haben erhält man durch die Annahme von X-<br />

Strukturen jedoch keine Einschränkung in Bezug auf die möglichen Grammatiken, wenn<br />

man leere Köpfe zulässt. Im Rahmen der GB-Theorie wurden aber diverse leere Köpfe<br />

verwendet, und im Rahmen des Minimalistischen Programms gibt es eine wahre Inflation<br />

leerer Köpfe.<br />

Die Regel in (3) kann man zum Beispiel wie folgt umformulieren:<br />

(4) V ′ → V 0 C ∗<br />

Dabei ist V 0 ein leerer Kopf. Da Spezifikatoren optional sind, kann das V ′ dann zur VP<br />

projiziert werden, und man bekommt eine Struktur, die dem X-Schema entspricht. Gewonnen<br />

ist dadurch nichts.<br />

Neben dem Problem mit Sprachen mit sehr freier Konstituentenstellung gibt es Probleme<br />

mit Adjunktionsstrukturen: Chomskys Analyse von Adjektivstrukturen im Rahmen der<br />

X-Theorie (Chomsky: 1970, 210; siehe auch Abschnitt 2.5 in diesem Buch) ist nicht ohne<br />

weiteres auf das Deutsche übertragbar, denn im Unterschied zum Englischen sind Adjektivphrasen<br />

im Deutschen kopffinal und Gradangaben müssen direkt vor dem Adjektiv<br />

stehen:<br />

(5) a. der auf seinen Sohn sehr stolze Mann<br />

b. * der sehr auf seinen Sohn stolze Mann<br />

c. * der auf seinen Sohn stolze sehr Mann<br />

Nach dem X-Schema muss auf seinen Sohn mit stolze kombiniert werden, und erst danach<br />

kann die sich ergebende A-Projektion mit ihrem Spezifikator kombiniert werden (siehe<br />

Abbildung 2.8 auf Seite 54 zur Struktur englischer Adjektivphrasen). Damit kann man<br />

nur Abfolgen wie (5b) oder (5c) ableiten. Beide sind im Deutschen jedoch nicht möglich.<br />

Man könnte das X-Schema nur retten, indem man annehmen würde, dass das Deutsche eigentlich<br />

doch wie das Englische ist, aber aus irgendwelchen Gründen eine Umstellung der<br />

Adjektivkomplemente erfolgen muss. Lässt man solche Rettungsansätze zu, dann sind natürlich<br />

alle Sprachen mit dem X-Schema beschreibbar, man muss dann nur für die meisten<br />

Sprachen eine enorme Anzahl an Umstellungsregeln formulieren, die extrem komplex und<br />

psycholinguistisch schwer motivierbar sein dürften. Siehe auch Abschnitt 11.3 zu performanzkompatiblen<br />

Grammatiken.<br />

Ein weiteres Problem für die X-Theorie in der strikten Variante, die in Abschnitt 2.5<br />

vorgestellt wurde, stellen sogenannte Hydra-Sätze dar (Perlmutter und Ross: 1970; Link:<br />

1984; Kiss: 2005):

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