Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
128 4 Generalized Phrase Structure <strong>Grammar</strong><br />
c. Weni glaubst du, daß ich _i gesehen habe. 11<br />
d. [Gegen ihn]i falle es den Republikanern hingegen schwerer, [ [ Angriffe _i]<br />
zu lancieren]. 12<br />
Die Sätze in (51) kann man nicht über lokale Umstellung erklären, denn die Elemente im<br />
Vorfeld hängen nicht vom obersten Verb ab, sondern stammen aus dem eingebetteten Satz.<br />
Da nur Elemente aus demselben lokalen Baum umgestellt werden dürfen, sind die Sätze<br />
in (51) nicht ohne einen speziellen Mechanismus für Fernabhängigkeiten analysierbar.<br />
Im Folgenden möchte ich noch ein Beispiel nach dem Muster in (51) diskutieren. Die<br />
Analyse von (51c) besteht aus mehreren Schritten: Einführung, Weitergabe und Abbindung<br />
der Information über die Fernabhängigkeit. Sie ist in Abbildung 4.5 dargestellt. Ich<br />
V3[+FIN, +MC]<br />
N2[acc, +TOP] V3[+MC]/N2[acc]<br />
V[9, +MC] N2[nom] V3[+dass,−MC]/N2[acc]<br />
V3[−dass,−MC]/N2[acc]<br />
N2[nom] V[6,−MC]<br />
wen glaubst du dass ich gesehen habe<br />
Abbildung 4.5: Analyse der Fernabhängigkeiten in der GPSG<br />
habe vereinfachend angenommen, dass gesehen habe sich wie ein einfaches transitives<br />
Verb verhält. 13 Eine durch die Meta-Regel in (44) lizenzierte Phrasenstrukturregel lizenziert<br />
die Kombination von ich und gesehen habe und repräsentiert das fehlende Akkusativobjekt<br />
am V3-Knoten. Der Komplementierer dass wird mit ich gesehen habe kombiniert<br />
und die Information darüber, dass noch eine Akkusativnominalphrase fehlt, wird<br />
nach oben weitergereicht. Dieses Weiterreichen wird durch das sogenannte Fußmerkmalsprinzip<br />
(Foot Feature Principle) geregelt, das besagt, dass alle Fußmerkmale aller Töchter<br />
auch am Mutterknoten instantiiert sind. Da das SLASH-Merkmal ein Fußmerkmal ist, werden<br />
die Kategorien hinter dem ‘/’ nach oben gereicht, wenn sie nicht im entsprechenden<br />
lokalen Baum abgebunden worden sind.<br />
11 Scherpenisse: 1986, 84.<br />
12 taz, 08.02.2008, S. 9.<br />
13 Zur Analyse des Verbalkomplexes in GPSG siehe Nerbonne: 1986a und Johnson: 1986.<br />
4.5 Zusammenfassung und Einordnung 129<br />
Eine entsprechende Regel kombiniert glaubst mit seinem Subjekt und dem Satzkomplement<br />
dass ich gesehen habe. Da auch hier kein Slash-Element abgebunden wird, ist der<br />
Mutterknoten V3/N2[acc]. Im letzten Schritt wird V3/N2[acc] mit der fehlenden N2[acc]<br />
kombiniert. Das Ergebnis ist ein vollständiger finiter Hauptsatz der höchsten Projektionsstufe.<br />
4.5 Zusammenfassung und Einordnung<br />
Die Autoren, die GPSG entwickelt haben, haben 20 Jahre nach dem Erscheinen von Chomskys<br />
Kritik an Phrasenstrukturgrammatiken Wege gefunden, die Phänomenbereiche, die<br />
sich mit einfachen Phrasenstrukturregeln nicht adäquat beschreiben lassen, auf einsichtsvolle<br />
Art und Weise zu analysieren. Wie groß diese Leistung ist, kann man daran erkennen,<br />
dass es so lange gedauert hat, bis transformationslose Analysen ausgearbeitet wurden.<br />
Die Kodierung von Valenz in GPSG ist aus vielerlei Sicht problematisch. Zum Beispiel<br />
nehmen morphologische Prozesse Bezug auf Valenzeigenschaften von Wörtern. Die Adjektivderivation<br />
mit dem Suffix -bar ist nur für transitive Verben, d. h. passivierbare Verben<br />
mit einem Akkusativobjekt, produktiv:<br />
(52) a. lösbar (Nominativ, Akkusativ)<br />
b. vergleichbar (Nominativ, Akkusativ, PP[mit])<br />
c. * schlafbar (Nominativ)<br />
d. * helfbar (Nominativ, Dativ)<br />
Eine Regel für die -bar-Derivation muss also auf entsprechende Valenzinformation Bezug<br />
nehmen können. Das ist in GPSG-Grammatiken nicht gegeben, da jedem Lexikoneintrag<br />
nur eine Nummer zugeordnet ist, die etwas darüber aussagt, mit welchen Regeln der Eintrag<br />
genutzt werden kann. Für die -bar-Derivation müsste man also alle Zahlen, denen<br />
Regeln mit Akkusativobjekt entsprechen, in der Derivationsregel auflisten, was das Phänomen<br />
nicht adäquat beschreibt. Auch hängt die Valenz das entstehenden Adjektivs von<br />
der Valenz des Verbs ab. Zum Beispiel verlangt vergleichen eine mit-PP und vergleichbar<br />
auch (Riehemann: 1993, 7, 54; 1998, 68). In den folgenden Kapiteln werden wir Modelle<br />
kennenlernen, die davon ausgehen, dass in Lexikoneinträgen Information darüber enthalten<br />
ist, ob ein Verb ein Akkusativobjekt verlangt oder nicht. In solchen Modellen sind<br />
morphologische Regeln, die auf Valenzeigenschaften von linguistischen Objekten Bezug<br />
nehmen, adäquat formulierbar.<br />
Nerbonne (1986a) und Johnson (1986) untersuchen die Voranstellung von Verbalphrasenteilen<br />
im Rahmen der GPSG.<br />
(53) a. Erzählen wird er seiner Tochter ein Märchen können.<br />
b. Ein Märchen erzählen wird er seiner Tochter können.<br />
c. Seiner Tochter ein Märchen erzählen wird er können.<br />
Das Problem an Sätzen wie denen in (53) ist, dass die Valenzanforderungen des Verbs<br />
erzählen in ganz unterschiedlichen Bereichen des Satzes realisiert werden. Für die Vorfeldkonstituenten<br />
benötigte man eine Regel, die es ermöglicht, ein ditransitives Verb ohne<br />
seine Argumente, mit einem Objekt oder mit zwei Objekten zu realisieren. Außerdem