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Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...

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126 4 Generalized Phrase Structure <strong>Grammar</strong><br />

4.3 Verbstellung<br />

Uszkoreit (1987) hat die Verberst- und -letztstellung jeweils als Linearisierungsvarianten<br />

in einem flachen Baum analysiert. Die Details wurden bereits in Abschnitt 4.1.1 besprochen.<br />

Ein alternativer Vorschlag in einer GPSG-Variante stammt von (Jacobs: 1986, 110):<br />

Jacobs Analyse ist eine Übertragung der Verbumstellungsanalyse aus der GB-Theorie.<br />

Er nimmt ein leeres Verb in Verbletztstellung an und setzt dieses mittels Techniken, die<br />

wir im folgenden Abschnitt genauer kennenlernen werden, zum Verb in Initialstellung in<br />

Beziehung.<br />

4.4 Fernabhängigkeiten als Folge lokaler Abhängigkeiten<br />

Eine der großen Innovationen der GPSG ist die Behandlung der Fernabhängigkeiten als<br />

Folge lokaler Abhängigkeiten (Gazdar: 1981b). Die Analyse soll anhand der Vorfeldbesetzung<br />

im Deutschen erklärt werden. Bisher haben wir nur die GPSG-Analyse für die<br />

Verbstellung kennengelernt: Die Abfolgen in (42) sind einfach Linearisierungsvarianten.<br />

(42) a. [dass] der Mann der Frau das Buch gibt<br />

b. Gibt der Mann der Frau das Buch?<br />

Die Verbzweitstellung in (43) soll aus der Verberststellung abgeleitet werden.<br />

(43) a. Der Mann gibt der Frau das Buch.<br />

b. Der Frau gibt der Mann das Buch.<br />

Dazu wird die Meta-Regel in (44) verwendet. Diese Meta-Regel entfernt eine beliebige<br />

Kategorie X aus der Menge der Kategorien auf der rechten Regelseite und repräsentiert<br />

sie auf der linken Seite mit Slash (‘/’): 7<br />

(44) V3[−AUX] → W, X ↦→<br />

V3/X → W<br />

Die Regel erzeugt aus (45) die Regeln in (46):<br />

(45) V3 → H[8], N2[CASE dat], N2[CASE acc], N2[CASE nom]<br />

(46) V3[−AUX]/N2[CASE nom] → H[8], N2[CASE dat], N2[CASE acc]<br />

V3[−AUX]/N2[CASE dat] → H[8], N2[CASE acc], N2[CASE nom]<br />

V3[−AUX]/N2[CASE acc] → H[8], N2[CASE dat], N2[CASE nom]<br />

Die Regel in (47) verbindet einen Satz mit Verberststellung mit einer Konstituente, die in<br />

diesem Satz fehlt:<br />

(47) V3[+FIN] → X[+TOP], V3[+MC]/X<br />

X steht in (47) für eine beliebige Kategorie, die per ‘/’ in V3 als fehlend markiert wurde.<br />

X wird auch Füller (filler) genannt.<br />

Die für unsere Beispiele interessanten Fälle für Werte von X zeigt (48).<br />

7 Eine Alternative zu der hier vorgestellten spurenlosen Analyse, die Uszkoreit (1987, 77) verwendet, besteht<br />

darin, wie in GB eine Spur für das extrahierte Element anzunehmen.<br />

4.4 Fernabhängigkeiten als Folge lokaler Abhängigkeiten 127<br />

(48) V3[+FIN] → N2[+TOP, CASE nom], V3[+MC]/N2[CASE nom]<br />

V3[+FIN] → N2[+TOP, CASE dat], V3[+MC]/N2[CASE dat]<br />

V3[+FIN] → N2[+TOP, CASE acc], V3[+MC]/N2[CASE acc]<br />

(48) zeigt keine Regeln. In (48) ist etwas zu sehen, was aus der Einsetzung einer Kategorie<br />

in die X-Stelle in (47) entstehen kann, d. h. verschiedene Instantiierungen der Regel.<br />

Die folgende Linearisierungsregel sorgt dafür, dass X vor dem restlichen Satz steht:<br />

(49) [+TOP] < X<br />

TOP steht für topikalisiert. Wie bereits auf S. 79 angemerkt, können neben Topiks und<br />

fokussierten Elementen auch Expletiva im Vorfeld stehen, weshalb der Merkmalsname<br />

nicht gut gewählt ist. Man kann ihn aber durch einen beliebigen anderen (z. B. Vorfeld)<br />

ersetzen, die Analyse ist davon nicht betroffen.<br />

Die Abbildung 4.4 zeigt das Zusammenwirken der Regeln bei der Analyse von (50). 8<br />

(50) Dem Mann gibt er das Buch.<br />

V3[+FIN, +MC]<br />

N2[dat, +TOP] V3[+MC]/N2[dat]<br />

V[8, +MC] N2[nom] N2[acc]<br />

dem Mann gibt er das Buch<br />

Abbildung 4.4: Analyse der Vorfeldbesetzung in der GPSG<br />

Die Meta-Regel in (44) lizenziert eine Regel, die ein Dativobjekt in Slash einführt. Diese<br />

Regel lizenziert den Teilbaum für gibt er das Buch. Die Linearisierungsregel V[+MC] <<br />

X ordnet das Verb ganz links innerhalb des lokalen Baumes an. Im nächsten Schritt wird<br />

die Konstituente hinter dem Slash abgebunden. Wegen der LP-Regel [+TOP] < X muss<br />

die abgebundene Konstituente links des V3-Knotens angeordnet werden.<br />

Die Analyse in Abbildung 4.4 scheint zu komplex zu sein, da die Nominalphrasen in<br />

(50) alle vom selben Verb abhängen. Man könnte sich ein System von Linearisierungsregeln<br />

einfallen lassen, das es erlaubt, (50) mit einer ganz flachen Struktur zu analysieren.<br />

Allerdings braucht man dann immer noch eine Analyse für Sätze wie die in (37) auf Seite<br />

79 – hier als (51) wiederholt:<br />

(51) a. [Um zwei Millionen Mark]i soll er versucht haben, [eine Versicherung _i zu<br />

betrügen]. 9<br />

b. „Weri, glaubt er, daß er _i ist?“ erregte sich ein Politiker vom Nil. 10<br />

8 Das FIN-Merkmal habe ich in der Abbildung an manchen V-Knoten weggelassen, da es redundant ist: Bei<br />

+MC-Verben muss der FIN-Wert immer ‘+’ sein.<br />

9 taz, 04.05.2001, S. 20.<br />

10 Spiegel, 8/1999, S. 18.

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