Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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40 2 Phrasenstrukturgrammatik<br />
(7) a. er das Buch dem Mann gibt<br />
b. * ich das Buch dem Mann gibt<br />
c. * er das Buch den Mann gibt<br />
d. * er den Buch dem Mann gibt<br />
In (7b) ist die Subjekt-Verb-Kongruenz verletzt, ich und gibt passen nicht zueinander. In<br />
(7c) sind die Kasusanforderungen des Verbs nicht erfüllt. gibt verlangt ein Dativ-Objekt.<br />
In (7d) ist die Determinator-Nomen-Kongruenz verletzt. den und Buch passen nicht zueinander,<br />
da die Genus-Eigenschaften der beiden Wörter verschieden sind.<br />
Im Folgenden soll überlegt werden, wie man die Grammatik verändern muss, damit<br />
die Sätze in (7) nicht mehr erzeugt werden. Wenn wir Subjekt-Verb-Kongruenz erfassen<br />
wollen, müssen wir die folgenden sechs Fälle abdecken, da im Deutschen das Verb mit<br />
dem Subjekt in Person (1, 2, 3) und Numerus (sg, pl) übereinstimmen muss:<br />
(8) a. Ich schlafe. (1, sg)<br />
b. Du schläfst. (2, sg)<br />
c. Er schläft. (3, sg)<br />
d. Wir schlafen. (1, pl)<br />
e. Ihr schlaft. (2, pl)<br />
f. Sie schlafen. (3, pl)<br />
Die Verhältnisse können wir mit Grammatikregeln erfassen, indem wir die Menge der<br />
verwendeten Symbole vergrößern. Statt der Regel S → NP NP NP V verwenden wir dann:<br />
(9) S → NP_1_sg NP NP V_1_sg<br />
S → NP_2_sg NP NP V_2_sg<br />
S → NP_3_sg NP NP V_3_sg<br />
S → NP_1_pl NP NP V_1_pl<br />
S → NP_2_pl NP NP V_2_pl<br />
S → NP_3_pl NP NP V_3_pl<br />
Das heißt, man benötigt sechs Symbole für Nominalphrasen, sechs Symbole für Verben<br />
und sechs Regeln statt einer.<br />
Um die Kasuszuweisung durch das Verb zu erfassen, kann man analog Kasusinformation<br />
in die Symbole aufnehmen. Man erhält dann Regeln wie die folgenden:<br />
(10) S → NP_1_sg_nom NP_dat NP_akk V_1_sg_nom_dat_akk<br />
S → NP_2_sg_nom NP_dat NP_akk V_2_sg_nom_dat_akk<br />
S → NP_3_sg_nom NP_dat NP_akk V_3_sg_nom_dat_akk<br />
S → NP_1_pl_nom NP_dat NP_akk V_1_pl_nom_dat_akk<br />
S → NP_2_pl_nom NP_dat NP_akk V_2_pl_nom_dat_akk<br />
S → NP_3_pl_nom NP_dat NP_akk V_3_pl_nom_dat_akk<br />
(i) a. * der Mann erwartet<br />
b. * des Mannes er das Buch dem Mann gibt<br />
Man braucht irgendwo in der Grammatik eine Repräsentation der Stelligkeit des Verbs. Darauf, wie die Stelligkeit<br />
(Valenz) in den verschiedenen <strong>Grammatiktheorie</strong>n repräsentiert wird, werden wir in den folgenden<br />
Kapiteln eingehen.<br />
2.1 Symbole und Ersetzungsregeln 41<br />
Da wir Nominalphrasen in vier Kasus unterscheiden müssen, haben wir dann insgesamt<br />
sechs Symbole für die NPen im Nominativ und drei Symbole für die NPen mit anderen<br />
Kasus. Da die Verben zu den Nominalphrasen in der Regel passen müssen, weil man<br />
z. B. Verben, die drei Argumente nehmen, von solchen, die nur zwei bzw. eins nehmen,<br />
unterscheiden können muss (11), muss man entsprechend auch die Menge der Symbole<br />
für Verben aufblähen.<br />
(11) a. Er schläft.<br />
b. * Er schläft das Buch.<br />
c. Er kennt das Buch.<br />
d. * Er kennt.<br />
In den obigen Regeln ist diese Information über nötige Argumente in Form der Markierung<br />
‘nom_dat_akk’ enthalten.<br />
Um die Determinator-Nomen-Kongruenz wie in (12) zu erfassen, müssen wir Information<br />
über Genus (fem, mas, neu), Numerus (sg, pl), Kasus (nom, gen, dat, akk) und die<br />
Flexionsklasse (stark, schwach 4 ) in die Regeln für Nominalphrasen integrieren.<br />
(12) a. der Mann, die Frau, das Buch (Genus)<br />
b. das Buch, die Bücher (Numerus)<br />
c. des Buches, dem Buch (Kasus)<br />
d. ein Beamter, der Beamte (Flexionsklasse)<br />
Statt der Regel NP → D N müssen wir also Regeln wie (13) verwenden:<br />
(13) NP_3_sg_nom → D_fem_sg_nom_schwach N_fem_sg_nom_schwach<br />
NP_3_sg_nom → D_mas_sg_nom_schwach N_mas_sg_nom_schwach<br />
NP_3_sg_nom → D_neu_sg_nom_schwach N_neu_sg_nom_schwach<br />
NP_3_pl_nom → D_fem_pl_nom_schwach N_fem_pl_nom_schwach<br />
NP_3_pl_nom → D_mas_pl_nom_schwach N_mas_pl_nom_schwach<br />
NP_3_pl_nom → D_neu_pl_nom_schwach N_neu_pl_nom_schwach<br />
NP_3_sg_nom → D_fem_sg_nom_stark N_fem_sg_nom_stark<br />
NP_3_sg_nom → D_mas_sg_nom_stark N_mas_sg_nom_stark<br />
NP_3_sg_nom → D_neu_sg_nom_stark N_neu_sg_nom_stark<br />
NP_3_pl_nom → D_fem_pl_nom_stark N_fem_pl_nom_stark<br />
NP_3_pl_nom → D_mas_pl_nom_stark N_mas_pl_nom_stark<br />
NP_3_pl_nom → D_neu_pl_nom_stark N_neu_pl_nom_stark<br />
(13) zeigt die Regeln für Nominativnominalphrasen. Analoge Regeln brauchen wir für die<br />
anderen drei Kasus. Wir benötigen also 48 Symbole für Determinatoren (3*2*4*2), 48<br />
Symbole für Nomina und 48 Regeln statt einer.<br />
4 Das sind die Adjektivflexionsklassen, die auch für einige Nomina relevant sind (Beamter, Verwandter, Gesandter,<br />
. . . ). Zu den Adjektivklassen siehe Seite 14.