Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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68 3 Transformationsgrammatik – Government & Binding<br />
In den folgenden beiden Abschnitten werde ich Anmerkungen zu den verwendeten syntaktischen<br />
Kategorien und zu Grundannahmen in Bezug auf die Interpretation von Grammatikregeln<br />
machen.<br />
3.1.7.1 Syntaktische Kategorien<br />
Die Kategorien, die statt X ins X-Schema eingesetzt werden können, unterteilt man in lexikalische<br />
und funktionale Kategorien. Das entspricht in etwa der Unterscheidung zwischen<br />
offenen und geschlossenen Wortklassen. Die lexikalischen Kategorien sind die folgenden:<br />
• V = Verb<br />
• N = Nomen<br />
• A = Adjektiv<br />
• P = Präposition<br />
• Adv = Adverb<br />
Man kann die lexikalischen Kategorien mittels Kreuzklassifikation auf elementarere Merkmale<br />
zurückführen: 6<br />
− V + V<br />
− N P = [ − N, − V] V = [ − N, + V]<br />
+ N N = [+ N, − V] A = [+ N, + V]<br />
Tabelle 3.1: Darstellung der vier lexikalischen Kategorien mittels binärer Merkmale<br />
Adverbien werden als intransitive Präpositionen angesehen und sind also durch die Zerlegung<br />
in der obigen Tabelle erfasst.<br />
Mit Hilfe dieser Kreuzklassifikation kann man Generalisierungen gut ausdrücken. So<br />
kann man sich z. B. einfach auf Adjektive und Verben beziehen: Alle lexikalischen Kategorien,<br />
die [ + V] sind, sind entweder Adjektive oder Verben. Von [ + N]-Kategorien kann<br />
man sagen, dass sie Kasus tragen können.<br />
Außerdem wurde unter Bezugnahme auf die obige Merkmalszerlegung versucht, die<br />
Kopfposition in Abhängigkeit von der Kategorie festzulegen (siehe z. B. Grewendorf:<br />
1988, 52; Haftka: 1996, 124; G. Müller: 2010). Bei Präpositionen und Nomina steht der<br />
Kopf vorn:<br />
(19) a. für Marie<br />
b. Bild von Maria<br />
Bei Adjektiven und Verben steht er dagegen hinten:<br />
6 Siehe Chomsky: 1970, 199 für eine Kreuzklassifikation mit N, A, und V und Jackendoff: 1977, Abschnitt 3.2<br />
für eine Kreuzklassifikation mit P aber anderer Merkmalszuordnung.<br />
3.1 Allgemeines zum Repräsentationsformat 69<br />
(20) a. dem König treu<br />
b. der [dem Kind helfende] Mann<br />
c. dem Mann helfen<br />
Bei [+ V]-Kategorien steht der Kopf also hinten und bei [− V]-Kategorien vorn. Leider<br />
gibt es für solche Generalisierungen ein Problem, nämlich die deutschen Postpositionen.<br />
Sie sind wie Präpositionen nicht verbal, stehen aber nach der NP, die sie verlangen:<br />
(21) a. des Geldes wegen<br />
b. die Nacht über<br />
Man muss also entweder eine neue Kategorie aufmachen oder den Versuch aufgeben, binäre<br />
Wortarten-Merkmale zur Beschreibung von Anordnungsbeschränkungen zu verwenden.<br />
Ordnet man Postpositionen in eine neue Kategorie ein, so muss man ein weiteres<br />
binäres Merkmal annehmen. Da das Merkmal den Wert plus bzw. minus haben kann, bekommt<br />
man zu den Kategorien in der obigen Tabelle noch vier weitere dazu. Für dann<br />
insgesamt acht mögliche Merkmalskombinationen lassen sich sicher keine sinnvollen Kategorien<br />
finden.<br />
Bei den funktionalen Kategorien nimmt man keine Kreuzklassifikation vor. Folgende<br />
Kategorien werden für gewöhnlich angenommen:<br />
C Complementizer für unterordnende Konjunktionen wie dass<br />
I Finitheit (sowie Tempus und Modus);<br />
in älteren Arbeiten auch INFL (engl. inflection = Flexion),<br />
in neueren Arbeiten auch T (Tempus)<br />
D Determinator (Artikelwort)<br />
3.1.7.2 Annahmen und Regeln<br />
In der GB-Theorie geht man davon aus, dass alle Regeln dem bereits im Abschnitt 2.5<br />
besprochenen X-Format entsprechen müssen. In anderen Theorien werden zwar ebenfalls<br />
Regeln verwendet, die dem X-Schema entsprechen, es sind jedoch auch andere Regeln<br />
zugelassen. Mit der strikten Version der X-Theorie geht die Annahme der Endozentrizität<br />
einher: Jede Phrase hat einen Kopf, und jeder Kopf ist in eine Phrase eingebettet (fachsprachlich:<br />
Jeder Kopf wird zu einer Phrase projiziert.)<br />
Des Weiteren nimmt man an, wie das normalerweise auch für Phrasenstrukturgrammatiken<br />
angenommen wird, dass die Äste von Baumstrukturen sich nicht überkreuzen können<br />
(Non-Tangling Condition). Diese Annahme wird auch von den meisten anderen in diesem<br />
Buch besprochenen Theorien gemacht, es gibt jedoch auch Varianten von TAG, HPSG<br />
und Konstruktionsgrammatik, die sich kreuzende Äste und somit diskontinuierliche Konstituenten<br />
zulassen (Becker, Joshi und Rambow: 1991; Reape: 1994; Bergen und Chang:<br />
2005).<br />
In der X-Theorie geht man gewöhnlich davon aus, dass es maximal zwei Projektionsstufen<br />
(X ′ und X ′′ ) gibt, aber auch da gibt es Varianten innerhalb der Mainstream Generative<br />
<strong>Grammar</strong> und in anderen Theorien, die von drei oder mehr Stufen ausgehen (Jackendoff:<br />
1977; Uszkoreit: 1987). In diesem Kapitel folgen wir der Standardannahme, dass es zwei<br />
Stufen gibt, d. h., dass Phrasen mindestens dreistöckig sind: