Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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160 6 Lexical Functional <strong>Grammar</strong><br />
Bresnan hat festgestellt, dass es neben dem verbalen Passiv passivische Adjektive gibt,<br />
die die gleichen morphologischen Idiosynkrasien aufweisen wie die entsprechenden Partizipien<br />
(Bresnan: 1982b, 21; Bresnan: 2001, 31). (28) zeigt einige Beispiele:<br />
(28) a. a well-written novel (write – written)<br />
b. a recently given talk (give – given)<br />
c. my broken heart (break – broken)<br />
d. an uninhabited island (inhabit – inhabited)<br />
e. split wood (split – split)<br />
Wenn man von lexikalischer Integrität ausgeht, dann müssen Adjektive im Lexikon abgeleitet<br />
sein. Wenn das verbale Passiv kein lexikalischer sondern ein phrasenstruktureller<br />
Prozess wäre, dann wäre die Formengleichheit ein unerklärter Zufall.<br />
In der LFG sind grammatische Funktionen Primitiva, d. h., sie sind nicht abgeleitet aus<br />
der Baum-Position (z. B. Subjekt = SpecIP). Wörter (d. h. vollständig flektierte Wortformen)<br />
bestimmen die grammatische Funktion ihrer Argumente. Es besteht eine Hierarchie<br />
von grammatischen Funktionen. Bei der Bildung von Partizipien in der Morphologie wird<br />
das „höchstwertige“ Verbargument unterdrückt. Das nächste Argument rückt nach und<br />
wird nicht als OBJECT, sondern als SUBJECT realisiert. In früheren Arbeiten (Bresnan:<br />
1982b, 8) war das noch explizit kodiert:<br />
(29) Passivierungsregel:<br />
(SUBJ) ↦→ ∅/(OBL)<br />
(OBJ) ↦→ (SUBJ)<br />
Die erste Regel besagt: Das Subjekt wird entweder nicht ausgedrückt (∅) oder als obliques<br />
Element (im Deutschen als von-PP) realisiert. Die zweite sagt, dass, wenn es ein<br />
Akkusativ-Objekt gibt, dieses zum Subjekt wird.<br />
In späteren Arbeiten wurde die Zuweisung grammatischer Funktionen von der Lexical<br />
Mapping Theory übernommen (Bresnan und Kanerva: 1989). Man geht davon aus, dass<br />
thematische Rollen in einer universell gültigen Hierarchie angeordnet sind (Bresnan und<br />
Kanerva: 1989; Bresnan: 2001, 307): agent > beneficiary > experiencer/goal > instrument<br />
> patient/theme > locative. Patiens-artige Rollen werden in einer entsprechenden<br />
Repräsentation, der sogenannten A-Struktur als unrestringiert markiert ([−r]), sekundäre<br />
patiens-artige Rollen werden als objektartig (objective, [+o]) markiert und andere Rollen<br />
als nicht-objektartig ([−o]). Für das transitive Verb schlagen ergibt sich:<br />
(30) Agens Patiens<br />
A-Struktur schlagen 〈 x y 〉<br />
[−o] [−r]<br />
Die Abbildung von der A-Struktur auf die f-Struktur wird durch folgende Beschränkungen<br />
geregelt:<br />
a. Subjekt-Mapping-Prinzip: Die prominenteste Rolle, die mit [−o] markiert ist, wird<br />
auf SUBJ abgebildet, wenn sie in der A-Struktur initial ist. Ansonsten wird die mit<br />
[−r] markierte Rolle auf SUBJ abgebildet.<br />
6.2 Passiv 161<br />
b. Die Argumentrollen werden entsprechend der folgenden Tabelle mit grammatischen<br />
Funktionen in Beziehung gesetzt. Dabei werden nicht spezifizierte Werte für o und<br />
r als ‘+’ verstanden:<br />
[−r] [+r]<br />
[−o] SUBJ OBLθ<br />
[+o] OBJ OBJθ<br />
c. Funktionsargumenteineindeutigkeit(Function-Argument Bi-uniqueness): Jede A-Struktur-Rolle<br />
muss mit genau einer Funktion assoziiert sein und umgekehrt.<br />
Für die Argumentstruktur in (30) bewirkt das Prinzip in a, dass das Agens x die grammatische<br />
Funktion SUBJ bekommt. b fügt für das Patiens ein o-Merkmal mit dem Wert ‘+’<br />
hinzu, so dass das Patiens y mit OBJ assoziiert wird:<br />
(31) Agens Patiens<br />
A-Struktur schlagen 〈 x y 〉<br />
[−o] [−r]<br />
SUBJ OBJ<br />
Bei Passivierung wird die prominenteste Rolle unterdrückt, so dass nur noch die mit [−r]<br />
markierte Patiens-Rolle übrig bleibt. Nach a wird diese Rolle dann auf das Subjekt abgebildet.<br />
(32) Agens Patiens<br />
A-Struktur schlagen 〈 x y 〉<br />
[−o] [−r]<br />
∅ SUBJ<br />
Im Unterschied zu den Objekten transitiver Verben sind die Objekte von Verben wie helfen<br />
als [+o] markiert (Berman: 1999). Der lexikalische Kasus der Objekte wird in der A-<br />
Struktur angegeben, da der Kasus fest mit einer semantischen Rolle verbunden ist (Zaenen,<br />
Maling und Thráinsson: 1985, 465). Die entsprechenden semantischen Rollen werden<br />
obligatorisch auf die grammatische Funktion OBJθ gemappt:<br />
(33) Agens Benefaktiv<br />
A-Struktur helfen 〈 x y 〉<br />
[−o] [+o]/DAT<br />
SUBJ OBJθ<br />
Bei Passivierung ergibt sich:<br />
(34) Agens Benefaktiv<br />
A-Struktur helfen 〈 x y 〉<br />
[−o] [+o]/DAT<br />
∅ OBJθ<br />
Da es weder ein [−o]- noch ein [−r]-Argument gibt, wird kein Argument mit der Subjekt-<br />
Funktion verbunden. Das Ergebnis ist eine Assoziation von Argumenten und grammatischen<br />
Funktionen, die dem entspricht, was man bei unpersönlichen Passiven beobachten<br />
kann.