Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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364 11 Diskussion<br />
dem anderen gibt, die im Genus mit ihrem Bezugsnomen kongruieren (siehe Beispiel (84)<br />
auf Seite 331). Für die Anordnung der Nominalgruppen im Satz braucht man auch Information<br />
über ihre Länge. Schwere Glieder werden normalerweise nach leichten angeordnet,<br />
oft werden sie auch ausgeklammert (Vergleiche Behaghels Gesetz der wachsenden Glieder<br />
(1909, 139; 1930, 86)).<br />
Theorien, die in Bezug auf Lokalität so restriktiv wie möglich sein wollen, müssen also<br />
Mechanismen entwickeln, die es gestatten, auf genau die Information zuzugreifen, die für<br />
die Erklärung der Distribution von Konstituenten nötig ist. Das wird oft über die Projektion<br />
von Eigenschaften zum Mutterknoten einer Phrase erreicht. In der X-Theorie wird die<br />
Wortart des Kopfes bis zur Maximalprojektion hinaufgegeben: Ist der Kopf z. B. ein N, so<br />
ist die Maximalprojektion eine NP. In der GPSG, HPSG und Varianten der CxG gibt es für<br />
die entsprechende Projektion von Merkmalen Kopfmerkmalsprinzipien. Die Kopfmerkmalsprinzipien<br />
sorgen dafür, dass eine ganze Gruppe von Merkmalen, die sogenannten<br />
Kopfmerkmale, am Knoten der Maximalprojektion vorhanden sind. Außerdem muss jede<br />
Theorie die Tatsache repräsentieren können, dass in einer Konstituente ein Teil fehlt, der<br />
dann in einer Fernabhängigkeit an anderer Stelle im Satz realisiert wird. Wie bereits auf<br />
Seite 221 besprochen, gibt es Sprachen, in denen z. B. Komplementierer in Abhängigkeit<br />
davon flektieren, ob in ihrem Komplement eine Konstituente fehlt oder nicht. Das heißt,<br />
dass diese Eigenschaft irgendwie zugänglich sein muss. In GPSG, HPSG, und Varianten<br />
der CxG gibt es weitere Merkmalsgruppen, die innerhalb einer Fernabhängigkeit zwischen<br />
dem Füller und der Lücke an jedem Knoten präsent sind. In der LFG gibt es stattdessen<br />
die f-Struktur. In der f-Struktur kann man sich mittels funktionaler Ungewissheit die Stelle<br />
suchen, an der eine bestimmte Konstituente fehlt. In der GB-Theorie erfolgt Bewegung<br />
zyklisch, d. h., ein Element wird in die Spezifikatorposition von CP umgestellt und kann<br />
von dort in die nächsthöhere SpecCP-Position weiterwandern. Man geht in der GB-Theorie<br />
davon aus, dass Köpfe in ihre Argumente hineinsehen können, zumindest können sie<br />
die Spezifikatorposition sehen. Wenn Komplementierer auf die entsprechenden Zwischenpositionen<br />
zugreifen können, können sie auch feststellen, ob in einer eingebetteten Phrase<br />
etwas fehlt oder nicht. Auch für die Zuweisung von Kasus in Infinitiv-Konstruktionen<br />
wurde in der GB-Theorie eine Analyse vorgeschlagen, in der das kasuszuweisende Verb<br />
in die abhängige Phrase hineinregiert und dem Element in SpecIP Kasus zuweist. Abbildung<br />
11.11 zeigt die entsprechende Struktur aus Haegeman: 1994, 170. Da das Kasusprinzip<br />
so formuliert ist, dass nur finite I dem Subjekt Kasus zuweisen (vergleiche Seite 81),<br />
erhält him nicht von I Kasus. Stattdessen nimmt man an, dass das Verb believe dem Subjekt<br />
des eingebetteten Infinitivs Kasus zuweist.<br />
Verben, die so über Phrasengrenzen hinweg Kasus zuweisen können, wurden ECM-Verben<br />
genannt, wobei ECM für Exceptional Case Marking steht. Der Begriff legt nahe, dass<br />
dieser Fall des Hineinregierens als Ausnahme gesehen wurde. In neuen Theorievarianten<br />
(z. B. Kratzer: 1996, 120–123) erfolgt alle Kasuszuweisung an Spezifikatorpositionen. So<br />
weist z. B. in Abbildung 11.12 auf Seite 366 der Voice-Kopf der DP in der Spezifikatorposition<br />
von VP den Akkusativ zu. Da der Voice-Kopf in die VP hineinregiert, ist in dieser<br />
Theorie die Kasuszuweisung an ein ganz normales Objekt eigentlich auch ein Ausnahme-<br />
Fall.<br />
In Theorien wie LFG und HPSG erfolgt die Kasuszuweisung in Konstruktionen wie<br />
denen in (139) lokal:<br />
11.7 Lokalität 365<br />
IP<br />
NP I ′<br />
I VP<br />
V ′<br />
V IP<br />
NP I ′<br />
I VP<br />
V ′<br />
V NP<br />
John -s believe him to be a liar<br />
Abbildung 11.11: Analyse der AcI-Konstruktion mit Exceptional Case Marking<br />
(139) a. John believes him to be a liar.<br />
b. Ich halte ihn für einen Lügner.<br />
c. Er scheint ein Lügner zu sein.<br />
d. Er fischt den Teich leer.<br />
Obwohl him, ihn, er und den Teich keine semantischen Argumente der finiten Verben<br />
sind, sind sie doch syntaktische Argumente (sie werden angehoben) und können deshalb<br />
lokal Kasus zugewiesen bekommen. Siehe Bresnan: 1982a, 348–349 und Abschnitt 8.2<br />
und Pollard und Sag: 1994, Abschnitt 3.5 zur Analyse von Anhebung in LFG bzw. HPSG.<br />
Siehe Meurers: 1999c, Przepiórkowski: 1999b, und Müller: 2008b, Abschnitt 17.4 zur<br />
Kasusvergabe in der HPSG und zur Interaktion mit Anhebung.<br />
Es gibt verschiedene Phänomene, die strikte Lokalität ausschließen und zumindest die<br />
Projektion bestimmter Informationen erfordern. So gibt es zum Beispiel im Englischen<br />
Question-Tags, die zum Subjekt des Satzes, mit dem sie kombiniert werden, passen müssen: