Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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22 1 Einleitung und Grundbegriffe<br />
gleichen Valenz – also mit der gleichen Anzahl und Art von Argumenten – werden in<br />
Valenzklassen eingeordnet, da sie sich in Bezug auf die Verbindungen, die sie eingehen,<br />
gleich verhalten. Abbildung 1.5 zeigt Beispiele aus der Chemie und der Linguistik.<br />
O hilft<br />
H H Peter Maria<br />
Abbildung 1.5: Verbindung von Sauerstoff mit Wasserstoff und Verbindung eines Verbs<br />
mit seinen Argumenten<br />
Wir haben mit (67) die logische Valenz erklärt, die logische Valenz weicht aber unter<br />
Umständen von der syntaktischen Valenz ab. Das ist z. B. bei allen Verben so, die ein<br />
Expletivpronomen als Argument verlangen. Ein anderes Beispiel sind inhärent reflexive<br />
Verben wie sich erholen.<br />
(68) a. Es regnet.<br />
b. Klaus erholt sich.<br />
Das expletive es bei Wetterverben und das sich von sogenannten inhärent reflexiven Verben<br />
wie erholen muss im Satz realisiert werden:<br />
(69) a. * Ich glaube, dass regnet.<br />
b. * Ich glaube, dass Klaus erholt.<br />
Weder das Expletivum noch das Reflexivpronomen leistet einen semantischen Beitrag.<br />
Da sie aber in vollständigen Sätzen vorhanden sein müssen, werden sie zur Valenz der<br />
jeweiligen Verben gezählt.<br />
Weitere Information zum Valenzbegriff in der Linguistik findet man in Ágel, Eichinger,<br />
Eroms, Hellwig, Heringer und Lobin: 2003; 2006.<br />
Konstituenten, die nicht zur Kernbedeutung ihres Kopfes beitragen, sondern darüber<br />
hinausgehende Information beisteuern, werden Adjunkte genannt. Ein Beispiel ist das Adverb<br />
sehr in (70):<br />
(70) Peter liebt Maria sehr.<br />
Es sagt etwas über die Intensität der durch das Verb beschriebenen Relation aus. Weitere<br />
Beispiele für Adjunkte sind attributive Adjektive (71a) und Relativsätze (71b):<br />
(71) a. eine schöne Frau<br />
b. der Mann, den Maria liebt<br />
Adjunkte haben folgende syntaktische bzw. semantische Eigenschaften:<br />
(72) a. Adjunkte füllen keine semantische Rolle.<br />
b. Adjunkte sind optional.<br />
c. Adjunkte sind iterierbar.<br />
Die Phrase in (71a) kann man durch ein weiteres Adjunkt erweitern:<br />
1.6 Argumente und Adjunkte 23<br />
(73) eine schöne kluge Frau<br />
Sieht man von Verarbeitungsproblemen ab, die sich aufgrund zu hoher Komplexität für<br />
menschliche Hörer/Sprecher ergeben würden, so kann eine solche Erweiterung mit Adjektiven<br />
beliebig oft erfolgen (siehe die Diskussion von (36) auf Seite 47). Argumente<br />
können dagegen nicht mehrfach in einer Phrase realisiert werden:<br />
(74) * Der Mann der Junge schläft.<br />
Wenn der Schlafende benannt worden ist, kann man keine weitere Nominalgruppe im Satz<br />
unterbringen, die sich auf andere Schlafende bezieht. Will man ausdrücken, dass mehrere<br />
Personen schlafen, muss das wie in (75) mit Hilfe von Koordination geschehen:<br />
(75) Der Mann und der Junge schlafen.<br />
Man beachte, dass die Kriterien in (72) zur Bestimmung von Adjunkten nicht hinreichend<br />
sind, da es auch syntaktische Argumente gibt, die keine semantische Rolle füllen (das es<br />
in (68a) und das sich in (68b)) bzw. optional sind (Pizza in (76)).<br />
(76) Wir essen (Pizza).<br />
Normalerweise legen Köpfe die syntaktischen Eigenschaften ihrer Argumente ziemlich<br />
genau fest. So schreibt ein Verb vor, welche Kasus seine nominalen Argumente haben<br />
können bzw. müssen.<br />
(77) a. Er gedenkt des Opfers.<br />
b. * Er gedenkt dem Opfer.<br />
c. Er hilft dem Opfer.<br />
d. * Er hilft des Opfers.<br />
Man spricht hier auch von Rektion: Ein Kopf regiert seine Argumente.<br />
Auch die Präposition von Präpositionalobjekten und der Kasus der Nominalphrase im<br />
Präpositionalobjekt wird vom Verb vorgeschrieben: 13<br />
(78) a. Er denkt an seine Modelleisenbahn.<br />
b. # Er denkt an seiner Modelleisenbahn.<br />
c. Er hängt an seiner Modelleisenbahn.<br />
d. * Er hängt an seine Modelleisenbahn.<br />
Der Kasus von Nominalphrasen in modifizierenden Präpositionalphrasen hängt dagegen<br />
von ihrer Bedeutung ab. Direktionale (also eine Richtung angebende) Präpositionalphrasen<br />
verlangen normalerweise eine Nominalphrase im Akkusativ (79a), lokale (also einen Ort<br />
spezifizierende) PPen nehmen einen Dativ zu sich (79b):<br />
(79) a. Er geht in die Schule / auf den Weihnachtsmarkt / unter die Brücke.<br />
b. Er schläft in der Schule / auf dem Weihnachtsmarkt / unter der Brücke.<br />
Einen interessanten Fall stellen nun Verben wie sich befinden dar. Sie können nicht ohne<br />
eine Ortsangabe stehen:<br />
13 Für ähnliche Beispiele siehe Eisenberg: 1994, 78.