Grammatiktheorie - German Grammar Group FU Berlin - Freie ...
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272 10 Tree Adjoining <strong>Grammar</strong><br />
Elementarbäume können beliebig groß sein, was TAG für die Analyse von Idiomen<br />
interessant macht (siehe Abschnitt 11.7). Da die Rekursion ausgeklammert wurde, können<br />
Bäume Elemente enthalten, die im letztendlich abgeleiteten Baum sehr weit weg sind<br />
(erweiterte Lokalitätsdomäne).<br />
Kasper, Kiefer, Netter und Shanker (1995) haben gezeigt, dass man HPSG-Grammatiken,<br />
die gewisse Voraussetzungen erfüllen, in TAG-Grammatiken umwandeln kann. Das<br />
ist interessant, da man auf diese Weise eine Grammatik bekommt, deren Komplexitätsverhalten<br />
bekannt ist. Während HPSG-Grammatiken im Allgemeinen im Typ-0-Bereich<br />
liegen, befinden sich TAG-Grammatiken je nach Variante im Bereich der Typ-2-Sprachen<br />
(kontextfrei) oder im umfassenderen Bereich der schwach kontextsensitiven Grammatiken.<br />
Yoshinaga, Miyao, Torisawa und Tsujii (2001) haben ein Verfahren zur Übersetzung<br />
von FB-LTAG-Grammatiken in HPSG-Grammatiken entwickelt.<br />
Kontrollfragen<br />
1. Wie werden Fernabhängigkeiten in TAG analysiert? Braucht man dazu leere Elemente?<br />
2. Kann man Umstellungen von Argumenten mehrerer Verben mit den Standard-Verfahren<br />
von TAG analysieren?<br />
Übungsaufgaben<br />
1. Analysieren Sie die folgende Wortgruppe in LTAG:<br />
(23) der dem König treue Diener<br />
Literaturhinweise<br />
Wichtige Aufsätze sind: Joshi, Levy und Takahashi: 1975; Joshi: 1987a; Joshi und Schabes:<br />
1997. Viele Arbeiten diskutieren formale Eigenschaften von TAG und sind deshalb für<br />
nur linguistisch interessierte Leser schwer verständlich. Einen guten Überblick über linguistische<br />
Analysen stellt Kroch und Joshi: 1985 dar. Einen Überblick über linguistische<br />
und computerlinguistische Arbeiten im Rahmen von TAG bietet der von Abeillé und Rambow<br />
2000 herausgegebene Sammelband. Rambow (1994) vergleicht seine TAG-Variante<br />
(V-Tag) mit Karttunens Radical Lexicalism-Ansatz, mit Uszkoreits GPSG, Combinatorial<br />
Categorial <strong>Grammar</strong>, HPSG und Dependenzgrammatik.<br />
Shieber und Johnson (1993) diskutieren psycholinguistisch plausible Verarbeitungsmodelle<br />
und zeigen, dass man mit TAG inkrementell parsen kann. Sie stellen eine weitere<br />
TAG-Variante vor: die synchrone TAG. In dieser TAG-Variante gibt es einen syntaktischen<br />
Baum und damit verbunden einen semantischen Baum. Beim Aufbau syntaktischer<br />
Struktur wird immer parallel semantiknahe Struktur aufgebaut. Diese parallel aufgebaute<br />
Struktur entspricht der Ebene der Logischen Form, die man in der GB-Theorie über<br />
Transformationen aus der S-Struktur ableitet.<br />
10.7 Zusammenfassung und Einordnung 273<br />
Rambow (1994, Kapitel 6) stellt eine automatenbasierte Performanztheorie vor. Er wendet<br />
sie auf das Deutsche an und zeigt, dass sie die Verarbeitungsschwierigkeiten erklären<br />
kann, die bei Umordnungen der Argumente von mehreren Verben entstehen.<br />
Kallmeyer und Romero (2008) zeigen, wie man mit FTAG direkt, d. h. ohne Umweg<br />
über einen Ableitungsbaum, MRS-Repräsentationen ableiten kann. Dazu gibt es in jedem<br />
Top-Knoten einen Verweis auf den semantischen Beitrag der Gesamtstruktur und in jedem<br />
Bottom-Knoten einen Verweis auf den semantischen Beitrag des Materials unterhalb<br />
des Knotens. Dadurch wird es z. B. möglich, in einen NP-Baum alle Mörder ein Adjektiv<br />
(z. B. mutmaßlichen) einzusetzen, das dann Skopus über den nominalen Teil der NP (Mörder)<br />
hat: Bei der Adjunktion des Adjektivs an den N-Knoten kann das Adjektiv auf den<br />
semantischen Beitrag des Nomens zugreifen. Der Top-Knoten von mutmaßlichen ist dann<br />
der Top-Knoten der Kombination mutmaßlichen Mörder und somit ist sichergestellt, dass<br />
die Bedeutung von mutmaßlichen Mörder korrekt unter den Allquantor eingebettet wird.