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Die Proteste in Daqing und Liaoyang<br />
Der Nordosten Chinas war früher das industrielle Entwicklungszentrum<br />
vor allem der Schwerindustrie und gilt heute <strong>als</strong> »Rostgürtel«. ImMärz<br />
und April diesen Jahres haben Arbeiterunruhen die Großstädte Liaoyang<br />
in der Provinz Liaoning und Daqing in Heilongjiang erschüttert − es<br />
handelt sich möglicherweise um die größten selbständigen Arbeiteraktionen<br />
in der Geschichte der Volksrepublik China. Die Medien haben mit<br />
einigem Erfolg versucht, die Sache geheimzuhalten, um ein Ausbreiten<br />
der Kämpfe zu verhindern. Ganz gelungen ist es ihnen nicht, und das gibt<br />
eine Ahnung davon, daß die chinesische Arbeiterklasse schon längst dabei<br />
ist, im Untergrund ihre eigenen Strukturen von Informationsverbreitung<br />
und Organisationen zu entwickeln.<br />
Die Erdölförderung in Daqing war ein zentrales Projekt der Industriepolitik<br />
in den 60er Jahren − Mao selbst gab die Parole aus, »in der Industrie,<br />
lernt von Daqing« und Chinas Musterarbeiter, der Eiserne Wang<br />
Jinxi, war ein Erdölarbeiter in Daqing. So gut wie die gesamte Erdöl- und<br />
Gasproduktion des Landes sind in der Hand der staatseigenen Aktiengesellschaft<br />
China Petroleum & Natural Gas Corp. »PetroChina« (Royal<br />
Dutch Shell will einen Anteil von 45 Prozent kaufen 19 ), deren ausführendes<br />
Organ in Daqing die Daqing-Erdölverwaltung ist. Noch vor wenigen<br />
Jahren waren 260 000 auf den Ölfeldern beschäftigt. Ende 2000 wurde die<br />
Reorganisation durchgezogen, etwa zur gleichen Zeit, <strong>als</strong> 2000 Arbeiter<br />
einer staatseigenen Baufirma wegen nicht gezahlter Löhne eine wichtige<br />
Bahnstrecke in Daqing blockierten 20 . Den Arbeitern wurde erzählt, die<br />
Firma stünde kurz vor dem Konkurs und es drohte eine Massenentlassung,<br />
bei der keine Abfindung zu erwarten wäre. So waren 50 000 einverstanden,<br />
die Abfindung von bis zu 500 US$ pro Dienstjahr 21 zu nehmen und mit<br />
der Arbeit aufzuhören. Das schien zuerst viel Geld, und die Summe war<br />
im chinesischen Vergleich recht hoch. Aber für die wenigsten gibt es in<br />
der 2,4-Millionen-Stadt alternative Jobs, so daß sich das Geld schnell in<br />
Luft auflöst. Daß mit der Abfindung auch der Anspruch auf die Sozialleistungen<br />
der Erdöladministration verloren war, scheinen viele Arbeiter<br />
nicht begriffen zu haben; offenbar wurden sie in dem Punkt entweder<br />
direkt betrogen oder absichtlich im Unklaren gelassen. Die Provinz Heilongjiang<br />
kennt lange und kalte Winter. Immerhin hat die Firma bisher<br />
Juli 2002 49