Heft als PDF-Datei - Wildcat
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Demo sieht anders aus: ein Gewirr von weißblauen Nationalflaggen 6 , und<br />
auf der Tribüne stehen dickbäuchige Funktionärstypen mit Anzug und<br />
Krawatte. Eine Gruppe der Kundgebungsteilnehmer kann zwar durchsetzen,<br />
dass jemand von der Arbeiter-Demo ein Grußwort spricht, aber zu<br />
einer Verbindung der so verschiedenen Mobilisierungen kommt es nicht.<br />
ArbeiterInnen-Konferenz auf der Straße<br />
Zwei Tage später, am 13. April findet auf Einladung der ArbeiterInnen<br />
von Brukman und Zanón ein ’Treffen zur Verteidigung der besetzten<br />
Fabriken’ vor der Brukman-Fabrik statt. Zu dem Zweck wird mal wieder<br />
die Straße abgesperrt und bestuhlt. 700 Leute debattieren vier Stunden<br />
lang über die Zukunft des Klassenkampfs. Es sind fast nur beschäftigte<br />
und arbeitslose ArbeiterInnen gekommen, ein ähnliches Spektrum wie auf<br />
der Demo, und kaum VertreterInnen von asambleas.<br />
Als Redezeitregel gilt: Leute aus Betrieben sollen es nicht übertreiben,<br />
haben aber keine Redezeitbeschränkung; VertreterInnen von Nachbarschaftsversammlungen<br />
oder Arbeitslosenorganisationen haben fünf Minuten<br />
pro RednerIn, Parteien und Menschenrechtsorganisationen zehn<br />
Minuten, aber nur einE RednerIn pro Organisation, und die auch erst am<br />
Ende des Treffens. Eine wirkliche Diskussion kommt in diesem großen<br />
Rahmen nicht zustande. Es gibt Berichte über betriebliche Konflikte,<br />
politische Vorschläge, Aufrufe, Statements und Unmengen von Grußadressen<br />
(darunter eine von den Arbeitern der Continental-Reifenfabrik<br />
Euzkadi in Mexiko, die seit Anfang Januar streiken und den Betrieb<br />
gegen den Abtransport der Maschinerie besetzt halten; persönlich anwesend<br />
sind zwei compañeras der besetzten Textilfabrik DYMAC aus<br />
Uruguay: »Was wir hier tun hat kein Land und keine Religion; wir Arbeiter<br />
sind eine Klasse.«).<br />
6 In diesem Fall war die Beflaggung besonders aufdringlich, aber die Nationalfahne darf auch an<br />
den besetzten Betrieben und auf Demos von piqueter@s nicht fehlen. Dort ist auch zu beobachten,<br />
wie Menschen, die in diesem Land offensichtlich nicht viel abbekommen, die Baseballkappen<br />
abnehmen, um die eigentlich unsingbare Nationalhymne zu singen, oder danach in ’Argentina,<br />
Argentina’-Rufe ausbrechen. Ein Ausdruck antiimperialistischer Tradition, wie er in ganz Lateinamerika<br />
zu beobachten ist? Oder ein Erbe des peronistischen Nationalismus? Oder der Anspruch auf<br />
Zugehörigkeit zu einem ’anderen Argentinien’?<br />
Juli 2002 13