Heft als PDF-Datei - Wildcat
Heft als PDF-Datei - Wildcat
Heft als PDF-Datei - Wildcat
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
weiterhin die Heizungsrechnungen bezahlt − der Auslöser für die wochenlangen<br />
Demonstrationen ist die Ankündigung der Erdölverwaltung, auch<br />
diese letzte Leistung einzustellen. Gleichzeitig wurden die ehemaligen<br />
Arbeiter eingeladen, ihre Kranken- und Rentenversicherung beizubehalten<br />
− allerdings gegen hohe Jahresbeiträge.<br />
Die Demonstrationen beginnen am 1. März mit wenigen tausend Beteiligten,<br />
deren Zahl in den nächsten Tagen auf 50 000 ansteigt. Es wird<br />
Arbeitstag um Arbeitstag demonstriert, man versammelt sich in immer<br />
noch eisiger Kälte vor dem Hochhaus der Erdöladministration und blokkiert<br />
es mit einem Sit-In. Die Behörden rufen Verstärkung der Bewaffneten<br />
Volkspolizei, die schnell ihre Präsenz in der ganzen Stadt hochfährt<br />
und durch ein Panzerregiment der Volksarmee verstärkt wird.<br />
Organisiert werden die Proteste vom »Provisorischen Gewerkschaftskomitee<br />
der von der Erdölbehörde abgebauten Arbeiter« −der Zeitpunkt<br />
der Gründung ist nicht bekannt. Ein Beamter der Stadtverwaltung, befragt<br />
vom China Labour Bulletin, bezeichnete das Komitee <strong>als</strong> »Gewerkschaft<br />
für die Arbeiter«. Und was mit der anderen Gewerkschaft sei (gemeint ist<br />
die offizielle Staatsgewerkschaft), fragte der Interviewer zurück: »Das ist<br />
die Gewerkschaft für die Kapitalisten«. 22 Ob Aktivisten des Komitees die<br />
Verbindung hergestellt haben oder die Informationen sich auf anderen<br />
Wegen verbreiten, ist nicht bekannt; es kommt jedenfalls in den Erdölfördergebieten<br />
im fernen Shengli, Provinz Xinjiang, in Changzhou in Beijing’s<br />
Nachbarprovinz Hebei und in Liaohe in der Nachbarprovinz Liaoning<br />
zu Solidaritätsaktionen. Und einige hundert freigesetzte Arbeiter des zur<br />
PetroChina gehörenden Chemiewerks in Lanzhou, Gansu, demonstrieren.<br />
Mitte März dauern die Sit-In-Proteste an, es sollen sich noch aktive<br />
Arbeiter angeschlossen haben. Die Produktion selber ist aber nicht behindert.<br />
Die noch aktiven Arbeiter haben ihre eigenen Gründe, wütend zu<br />
sein; so ist ihr Beitrag zur Rentenversicherung angehoben worden, während<br />
freigesetzte Manager horrende Abfindungssummen kassiert haben.<br />
Die Proteste sind weitgehend friedlich; am 19. März werden allerdings<br />
mehrere Demonstranten bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt.<br />
Tags darauf legen die Protestierer ein Auto aufs Dach, dessen<br />
Fahrer in die Menge gefahren war. Dann allerdings scheinen die Behörden<br />
ihre Taktik zu ändern − wohl weil ihre Hoffnung nicht aufgeht, die<br />
Proteste würden sich totlaufen und der Aufmarsch der Volkspolizei und<br />
der Panzer der Volksarmee die Leute einschüchtern. Und vor allem, weil<br />
50 Beilage <strong>Wildcat</strong>-Zirkular 64